© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/97  28. März 1997

 
 
Rumänien: Rückkehr-Angebot an die Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben
Faszinierende Vision oder Illusion?
Von Martin Schmidt

Der neuen rumänischen Regierung unter Präsident Constantinescu gebührt Respekt für die erstaunliche Kehrtwende in der Politik gegenüber dem Nachbarland Ungarn, der ungarischen Minderheit in Siebenbürgen und nun auch gegenüber den Rumäniendeutschen. Am 16. März hatte Informationsminister Radu Boroianu während eines Deutschlandbesuches im Namen seiner Regierung ein Gesprächsangebot an die Landsmannschaften der ausgesiedelten Rumäniendeutschen gerichtet –, also an die Siebenbürger Sachsen, die Banater Schwaben und die Sathmardeutschen. Vor allem bot er den einstigen Bürgern die Rückkehr in die alte Heimat an. Die Landsmannschaften zeigten sich ebenso – freudig – überrascht wie das Demokratische Forum der Rumäniendeutschen (DFDR) als Minderheitenvertretung in Rumänien selbst. Eine vergleichbare Offerte hatte es bisher nur von seiten des estnischen Ministerpräsidenten Tiit Vähi gegeben, der in einer Rede im Sommer 1996 die Baltendeutschen einlud, in die alte Heimat zurückzukommen und so das Heimatrecht wahrzunehmen.

Das rumänische Angebot kann schwerlich nur als Schönrednerei abgetan werden, zumal laut Boroianu das gesamte Eigentum, also Häuser sowie Grund und Boden, zurückerstattet werden soll. Allerdings steht die Nagelprobe in Form einer konkreten Umsetzung in entsprechende Gesetze noch aus. Darauf wies auch das DFDR in einer Erklärung vom 20. März hin. Man muß sich schließlich vergegenwärtigen, daß nicht wenige Anwesen, in denen ausgesiedelte Deutsche gelebt haben, inzwischen völlig verfallen sind. Und was geschieht mit jenen Rumänen, Ungarn oder Zigeunern, die heute in den verlassenen Häusern ein neues Heim gefunden haben. Müssen diese ihre Sachen packen, wenn bald der alte Eigentümer vor der Tür steht? Könnte der rumänische Staat überhaupt die nötigen Finanzmittel aufbringen, um gegebenenfalls für Entschädigung zu sorgen? Außenminister Adrian Severin meldete bei seinem Antrittsbesuch in Bonn, angesprochen auf die Worte seines Ministerkollegen, auch gleich entsprechende Zweifel an und betonte, daß diesbezüglich eine enge Zusammenarbeit mit der deutschen Regierung notwendig sei. Eine Menge Fragen also, die genug Platz für Skepsis lassen. Doch der Elan und Mut, mit dem die national-konservative Staatsführung in Bukarest nach der postkommunistischen Erstarrung den Neuanfang begonnen hat, könnten durchaus so manch unüberwindlich scheinende Hindernisse beiseite räumen. Dies natürlich nicht nur aus reiner Menschenliebe und Respekt vor der in den Baudenkmälern weiter gegenwärtigen stolzen Kultur der Deutschen in Siebenbürgen u. a. Die Aussiedler waren einst ein äußerst wichtiger Wirtschaftsfaktor für das ganze Land und könnten dies im Falle einer Rückkehr schon in kurzer Zeit (nämlich mit den mitgebrachten D-Märkern) wieder werden. Nicht zuletzt hofft man auf eine kräftige Unterstützung des eigenen EU-Beitrittswunsches durch die deutsche Politik.

Das Demokratische Forum der Rumäniendeutschen hat die Äußerungen Boroianus als Absichtserklärung bezeichnet, die in die richtige Richtung weise und nun eine detailierte Ausarbeitung erfordere. Allerdings wolle man, so der Vorsitzende Philippi in einem Schreiben an den Informationsminister, "in allen Phasen" künftiger Planungen für eine etwaige Rückkehr von ausgesiedelten Landsleuten beteiligt werden.

Nachdrücklich begrüßt wurde das rumänische Angebot vom Präsidium des Bundes der Vertriebenen (BdV). In einer Presseerklärung sagten die BdV-Verantwortlichen allen aus Rumänien stammenden Rückkehrwilligen jede politische Unterstützung zu und appellierten an die Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben, diese Option "ernsthaft zu prüfen". Man betont außerdem, "daß das Schicksal der Rumäniendeutschen mit dem aus Gebieten heute unter polnischer, tschechischer oder rußländischer Herkunft stehender Vertriebener kaum vergleichbar" sei. Rumänien könne nicht als "Vertreiberstaat" bezeichnet werden. Das Angebot aus Bukarest werfe trotz der verschiedenen historischen Ausgangslagen ein besonderes Licht auf die Weigerung Bonns, sich gegenüber der Republik Polen und der Tschechischen Republik um vergleichbare Vorschläge "zu einem gemeinsamen Wiederaufbau der Heimatgebiete der deutschen Heimatvertriebenen" zu bemühen, "wie sie jetzt von rumänischer Seite beispielhaft vorgetragen wurden."

Der Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Franz Neubauer, kommentierte die Entwicklung mit der Forderung: "Deutschland muß die Zusammenarbeit mit solchen Ländern ausbauen, die frühere Menschenrechtsverletzungen in direkter Zusammenarbeit mit den Betroffenen zu heilen versuchen, nicht aber mit denjenigen, die immer noch an Idee und Ergebnis von ethnischen Säuberungen festhalten und sogar Gespräche verweigern. Dies gilt auch für die Frage der deutschen Unterstützung des EU-Beitritts."

Auch der Aussiedlerbeauftragte Horst Waffenschmidt hieß das Angebot der rumänischen Regierung gut, das er bei seinem geplanten Rumänien-Besuch im April mit der Regierung in Bukarest erörtern wolle. Er wies zugleich darauf hin, daß noch immer jährlich einige tausend Deutsche aus dem rumänischen Staat aussiedelten, obwohl von der Bundesregierung Fördergelder zum Existenzaufbau in der Heimat bereitgestellt würden. Diese Finanzmittel könnten gegebenenfalls auch zurückkehrende Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben erhalten, sagte Waffenschmidt.

Sollte die Regierung in Bukarest auf dem eingeschlagenen Weg tatsächlich weiter voranschreiten, so hätte die rumänische Seite das ihr mögliche getan, um die nach 1989 rasant beschleunigte Auflösung der deutschen Siedlungsgebiete als "historischen Fehler" zu korrigieren. Dann wären die heute in der Bundesrepublik lebenden rund eine halbe Million Siebenbürger Sachsen und Banater Schwaben gefragt. Diese haben sich jedoch zum ganz überwiegenden Teil in ihren neuen Wohnorten gut eingelebt, wenngleich viele von ihnen mit regelmäßigen Reisen in die alte Heimat dokumentieren, daß keinesfalls alle Brücken abgebrochen sind. Dennoch rechnet kaum jemand mit einer nennenswerten Rücksiedlungsbewegung.

Zu wenige Landsleute sind in Rumänien verblieben und leben dort heute inmitten einer von Rumänen, Ungarn und Zigeunern geprägten Umgebung. Falls jedoch die ökonomische Situation in Deutschland sich weiter verschärfen sollte, könnte es mittelfristig vielleicht doch zu einer Fortsetzung der deutschen Siedlungstraditionen in Rumänien kommen, die über die jetzige "Nachlaßverwaltung" hinausgeht. – Die Geschichte hat immer wieder gezeigt, daß sie für überraschende Wendungen gut ist.


 
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