© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/97  28. März 1997

 
 
Zeitschriftenkritik: "Menschenrechte"
Auf keinem Auge blind
Von Thomas Grönert

Unter dem Motto "Brücke zum Frieden" hat die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) vergangene Woche in Königstein ihre 25. Jahreshauptversammlung abgehalten. Die IGFM hat sich von anderen Menschenrechtsorganisationen stets durch das Bemühen abgehoben, Menschenrechtsverletzungen nicht durch die Brille des Zeitgeists zu sehen und zu selektieren. In Hochzeiten der Ost-West-Entspannungseuphorie wies sie immer wieder auf Schicksale Verfolgter in der Sowjetunion, der DDR und Titos Jugoslawien hin, in Zeiten weltweiten Anti-Apartheit-Aktionismus auch auf die vom ANC oder der SWAPO unter ihren eigenen Anhängern angerichteten Schwerverbrechen. Zur Beliebtheit der IGFM trug das nicht bei, zu Erkenntnissen ihrer Mitglieder über das Verhältnis von Medienmacht und Wirklichkeit hingegen manches. Im Mittelpunkt des unideologischen Ringens der IGFM um die praktische Verwirklichung politischer und bürgerlicher Rechte stand dabei stets der konkrete einzelne Fall, den man auch nicht wegdiskutieren konnte.

Publikationsorgan der Gesellschaft im deutschsprachigen Raum ist die Zeitschrift Menschenrechte, die sechsmal im Jahr erscheint. Ihre erste Veröffentlichung im Gründungsjahr der IGFM, 1972, war eine Übersetzung des Passionsbriefes von Alexander Solschenizyn. Anfangs noch aus den beiden Teilen "Menschen" und "Schicksale/Informationen" bestehend, seit 1977 in einer Ausgabe zusammengefaßt, begleitet die Zeitschrift die Arbeit der IGFM mit Veröffentlichungen von Dokumenten, Schicksalsberichten und grundsätzlichen Informationen über die weltweiten Aktivitäten der Organisation. Die übersichtliche Gestaltung und die klar und verständlich geschriebenen Texte, die das ernste und politisch sensible Thema der Verletzung von Menschenrechten gewissenhaft und kompetent behandeln, machen Menschenrechte auch für den nur gelegentlichen Leser und das Nichtmitglied zu einer gewinnbringenden Lektüre; Insider-Wissen wird nicht vorausgesetzt.

Trotz langjähriger Arbeit verschiedenster, sowohl staatlicher als auch nichtstaatlicher Institutionen, trotz Existenz eines UN-Ausschusses für Menschenrechte, einem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte, einer UN-Menschenrechtskommission und eines UN-Hochkommissars für Menschenrechte sind in zahlreichen Ländern Folter, Vertreibung, Völkermord, Pressezensur, politische Prozesse und ähnliches immer noch an der Tagesordnung. Worüber die einheimische Presse meist nur ausnahmsweise berichtet: In Menschenrechte kann man sich systematisch darüber informieren. Persönliche Schicksale von Oppositionellen und Bürgerrechtlern werden über einen längeren Zeitraum beobachtet. Berichte von Mitarbeitern, Artikel zu den Arbeitsgruppen der Gesellschaft und Gastbeiträge ausgesuchter Autoren runden das positive Erscheinungsbild dieser Publikation ab.

("Menschenrechte", Herausgeber und Verlag: Internationale Gesellschaft für Menschenrechte, Deutsche Sektion e.V., Postfach 10 11 32, 60011 Frankfurt/M. Erscheinungsweise: zweimonatlich. Einzelpreis DM 5,–, ÖS 40,–. Jahresabonnement DM 26,–, ÖS 280,–.)


 
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