© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/97  28. März 1997

 
 
Alpen-Disneyland: Sinn und Unsinn gigantischer Freizeitparks
Schöne neue Welt von Ebreichsdorf
Von Andreas Mölzer

Erbost war der Baulöwe in der Fernseh-Konfrontation, daß Projekte in dieser Größenordnung nur von Ausländern verwirklicht werden könnten, daß seine großartigen Ideen nunmehr von einem anderen – in dem Fall einem Auslands-Österreicher – realisiert werden. "History-Land" habe er doch bereits im aufgelassenen Villacher Zellstoffwerk St. Magdalen und danach in der Atomkraftwerksruine Zwentendorf geplant gehabt. Die Geschichte der Menschheit, gerafft und leicht verständlich, in einer Multi-Media-Show, die Pyramiden maßstabgetreu in Styropor, gotische Kathedralen aus Vollplastik, dazwischen Fast-food und Action, alles von der Infrastruktur bis zum Marketing genau geplant und nichts ist daraus geworden. Und nun diese gewaltige Kugel in Ebreichsdorf. Genau das gleiche und das auf 200 – oder sind es doch nur 150 – Meter Höhe, dominant sichtbar im ganzen südlichen Niederösterreich, mit Teleskopen sogar wahrscheinlich noch vom Mond.

Der vom Baupolier zum Baulöwen aufgestiegene Self-made-Man – und alle Baupoliere mögen dieses Pauschalurteil verzeihen – mit dem Kulturverständnis eines solchen, ist natürlich nur eifersüchtig, ein professioneller Neidgenosse sozusagen. Projekte dieser Art insgesamt findet er natürlich toll. Nur so könnte man den österreichischen Fremdenverkehr retten, nur so dem Land eine sinnvolle Zukunft sichern. Ignaz Seipel, Kleriker und Bundeskanzler, hat einmal in grauer Vorzeit gesagt, es könne nicht die Bestimmung der Erben der Türkenbezwinger sein, "ihr Vorgärtlein gegen Entree" zur Schau zu stellen. Hätte der Einfältige geahnt, daß die Österreicher ihr "Vorgärtlein", sprich ihr Land, nicht nur gegen Eintrittsgeld feilhalten, sondern darüber hinaus auch noch glauben, es durch Plastikattrappen der historischen Welt und durch Potemkinsche Kunststoffdörfer ersetzen zu müssen, er wäre wohl verzweifelt. Heute hofieren nicht nur Kommunalbonzen wegen angeblicher Arbeitsplätze für Ebreichsdorf neureiche Milliardäre, nein, die Spitzen des Staates liegen auf dem Bauch, wenn ihnen einer erklärt, daß Wiens Stephansdom bestenfalls nach Minimundus passe, verglichen mit dem Kugel-Mugel von Ebreichsdorf. Nachdenkliche Geister und Kritiker solcher Projekte haben festgestellt, daß die Gesellschaft unserer Tage, der zeitgenössische Mensch, offenbar nicht mehr in der Lage sei, Landschaft, Natur und Kultur als solche zu erleben und zu genießen. Sie müsse für ihn ver-anstaltet werden. "Action" und "Events" seien notwendig, panem et circenses für’s elektronische Biedermaier.

Kehren wir zurück zu unserem Baulöwen, der in der Zellstoffruine an der Drau sein "History-Land" errichten wollte. In unmittelbarer Nähe gäbe es eine der landschaftlich reizvollsten Kulturlandschaften Mitteleuropas. Vom Zollfeld mit Herzogstuhl, romanischem Dom von Maria Saal über die Feste Hochosterwitz, die mittelalterlichen Städte St. Veit, Altenmarkt und Friesach – das könnte ein Kärntner Rothenburg ob der Tauber sein – über die Straßburg und den Gurker Dom, könnte man hier mit geringen infrastrukturellen Maßnahmen, mit einer Revitalisierung historischer Bausubstanz und einem entsprechenden Marketing so etwas wie eine Kärntner "romantische Straße" mit realer Gotik, mit realer Romanik, mit römischen Ausgrabungen auf dem Magdalensberg, mit Wassergräben um mittelalterliche Stadtmauern, mit romanischen Domen und Renaissance-Plätzen den staunenden Menschen präsentieren. Geklonte Geschichte in gigantomanischen Plastikkugeln und diverse History-Lands sind da bestenfalls öde Surrogate.

In der virtuellen Welt unserer Tage mit Computersimulation und Cyber-Sex mag die schöne neue Welt von Ebreichsdorf, mag des Baulöwen "History-Land" – irgendein Projekt wird man ihm ja doch wohl noch bewilligen – dennoch ein finanzieller Erfolg werden. Das Pariser "Euro-Disneyland" rechnet sich angeblich auch schon. Der finanzielle Flop sind wahrscheinlich die Loire-Schlösser. Und damit wird Ebreichsdorf, wird History-Land wohl so oder so kommen. Ob mit 200 Meter hoher Kugel oder nur mit 150 Metern, vielleicht als Monster-Osterei, was weiß man. Aber nachdem bekanntlich alle Menschen gleich sind, in der schönen neuen Welt, werden manche doch gleicher sein, und neben der Instant-Menschheitsgeschichte mit virtuellen Pyramiden auch noch reale gotische Dome besichtigen dürfen. Das wird hoffentlich erlaubt bleiben.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen