© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/97  28. März 1997

 
 
Wirtschaft: Die Verhältnisse ändern sich
Heiliger Sonntag?
Meinungsbeitrag
von Christian Pinter

In Zeiten des Umbruchs, böse Zungen sprechen sogar vom Zusammenbruch, ist mit allen möglichen Veränderungen zu rechnen. Wenn die Europäer nicht mehr ihre eigenen durchaus vorhandenen Qualitäten ausspielen können, dann müssen sie ihre heiligen Kühe opfern. Eine solche könnte durchaus der bisher "arbeitsfreie" Sonntag sein.

Arbeitsfrei muß deshalb unter Anführungszeichen stehen, weil es immer schon Menschen gab, die auch am Sonntag arbeiten mußten oder wollten. Der erste, der uns hierbei einfällt, ist bereits der katholische Pfarrer, der jeden Sonntag die Messe liest. Gut: für ihn gelten andere Regeln, da er auf einer höheren Ebene tätig ist, als der Kellner im Kaffeehaus. Die Krankenschwester und der Notarzt sind am Sonntag ebenso im Einsatz, wie der Polizist, der Busfahrer, der Pannenhelfer und die breit gestreute Profession der Pfuscher.

Wie es aussieht, hat es immer schon Ausnahmen gegeben. Es haben bisher zwar nicht alle Menschen am Sonntag gearbeitet, doch es sind auch bisher schon einige gewesen. Die meisten sind für Notfälle im Dienst, oder eben in den klassischen Dienstleistungsberufen angesiedelt.

Mit der Globalisierung kommt auch die Globalisierungsfalle. In die treten vornehmlich Politiker und Standesvertreter, die mit Begriffen um sich werfen, ohne sie zu kennen. Die Globalisierung wird für Österreich und Europa bestimmt zur Falle, wenn es "uns" nicht doch noch gelingt, die einst qualitativen Vorsprünge gegenüber dem Rest der Welt wieder zu erlangen. Wir haben unsere Wettbewerbsvorteile praktisch hergeschenkt.

Heute gibt es zwischen "Elite" und Masse ein in etwa gleich hohes geistiges Niveau. Die Folgen davon kann man fast täglich im Fernsehprogramm begutachten. Wir haben es verabsäumt, den (technologischen) Wandel in Richtung "Informationsgesellschaft" zu erkennen. Von einer Mitgestaltung kann gar keine Rede sein. "Bei uns" wurden und werden alte Bastionen, wie der Kohlebergbau und die Stahlindustrie künstlich am Leben gehalten. Milliarden wurden dabei verheizt. Milliarden, die bei der Entwicklung hin zur zukunftsorientierten "Informationsgesellschaft" fehlen.

Dabei wird ein sozialistisches System künstlich am Leben erhalten, welches an sich nicht lebensfähig ist. Neue Perspektiven und Visionen gibt es im Heimatland Siegmund Freuds (leider) nicht mehr. Die österreichische Seele wurde von solchen Unkorrektheiten geheilt. Leistungsbereitschaft und private Initiative werden in diesem perfekten staatlichen System gekonnt unterdrückt. Doch wo niemand aussät, kann aber auch niemand ernten.

Deshalb ist es nicht verwunderlich, daß wir Österreicher (Europäer) uns heute auf dem Gebiet der Wirtschaft mit (einst?) "Bloßfüssigen" herumschlagen müssen. Die haben seit dem Fall der Grenzsperren, die im Nachhinein für so manchen im Westen sogar als ein in die Brüche gegangener Schutzwall erscheinen mögen, soviel aufzuholen, daß sie für weit weniger Geld arbeiten, als es viele Österreicher eben nicht tun. Unsere Arroganz, unsere Blindheit und unser perfektes staatliches System haben es mit vereinten Kräften zustande gebacht, daß der Sonntag in Zukunft nicht mehr "heilig" ist. Der Dinosaurier muß eben auch Sonntags arbeiten, wenn er von hungrigen Tigerstaaten nicht gefressen werden möchte. Doch auch die Arbeit am Sonntag kann bestenfalls ein Symptom lindern. Wir können damit unseren gesellschaftlichen Kollaps vielleicht kurze Zeit hinauszögern. Wenn wir auch in Zukunft so gut wie, oder vielleicht sogar noch besser als bisher leben wollen, dann wird uns das nur gelingen, wenn wir uns wieder von der aufstrebenden Masse der Nationalökonomien abheben können.

Den USA ist das teilweise gelungen. Dort sind, trotz vieler gesellschaftlicher Fehlentwicklungen, private Initiative und Leistung noch immer möglich. Ein Bill Gates mit seinem aus dem Nichts aufgebauten Microsoft-Imperium wäre in Österreich bestenfalls zum Sonntagsarbeiter geworden. Einen Weltkonzern hätte er hier nie aufbauen können. Der gute Bill wäre hierzulande einer der vielen Bastler, die am Wochenende und nach Dienstschluß daheim in ihrer Garage "pfuschen", weil sie es eigentlich legal nicht dürfen.

Warum gibt es nicht auch bei uns einen freien Markt, wo die Tüchtigen und Talentierten (zum Wohl aller) arbeiten können? Traut man dem einzelnen nicht zu, aus eigener Verantwortung seine wirtschaftlichen Angelegenheiten in die Hand zu nehmen? Muß sich der Staat wirklich um alles kümmern? Solange wir unseren Menschen nicht die freie Handlungsmöglichkeit geben, werden wir uns die Freiheit eines "heiligen" Sonntags sowieso nicht mehr nehmen können.

Politiker können zwar keine Arbeitsplätze schaffen, doch sie können und müssen eines gewährleisten; nämlich die Bewahrung bzw. Schaffung von entsprechenden Rahmenbedingungen, die dem wirtschaftlichen System eines Landes eine möglichst gute Entwicklungsmöglichgkeit geben. In Österreich warten wir auf diese bisher vergeblich


 
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