© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    14/97  28. März 1997

 
 
Linke Bündnispolitik
Kommentar
von Thorsten Thaler

Zu den Schlüsselbegriffen linksliberaler bis linksextremistischer Autoren, die ihren Blick nach rechts wenden, gehört der Begriff "Netzwerk". Rechts von jener gesäßgeographischen Mitte, die Gutmenschen als Grenze zum tabuisierten Denken dient, soll alles und jeder miteinander "vernetzt" sein – vom konservativen Elfenbeinturm-Intellektuellen bis hin zu "Sieg heil" grölenden NS-Anhängern. Der Wahrheitsgehalt solcher bis zum Erbrechen wiederholten Behauptungen ist Nebensache. Doch auf die Wahrheit kommt es den Verleumdern ohnehin nicht an. Ihre unterschiedslose Einebnung hat Methode. Wer ständig mit dem Finger auf andere zeigt, läuft kaum Gefahr, daß sich die Scheinwerfer der medialen Öffentlichkeit auf einen selbst richten.

Zum Verdruß einer wachsenden Schar von Zeitgeist-Oppositionellen, die das Treiben durchschauen, funktioniert diese Strategie der Ablenkung bestens. So wird die seit Ende der sechziger, Anfang der siebziger Jahre gängige Praxis linker Bündnispolitik nur in seltenen Ausnahmefällen von der veröffentlichten Meinung hierzulande überhaupt wahrgenommen; von einer kritischen Auseinandersetzung mit der Frage, wer sich mit wem in der linken Spielfeldhälfte des politischen Koordinatensystems gerade jeweils solidarisiert, ganz zu schweigen. Dabei lohnt scharfes Hinsehen allemal der Mühe. Jüngstes Beispiel dafür ist der Herausgeberkreis einer "Dokumentation kriminalisierter Texte" aus Anlaß des 20jährigen Bestehens der linksextremen Szene-Zeitschrift radikal, die seit mehr als zehn Jahren verdeckt hergestellt und konspirativ verbreitet wird. Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden hat das Blatt "durchweg strafbaren Inhalt". Charakteristisch für radikal – so der Generalbundesanwalt – ist die Veröffentlichung von Tatbekennungen linksterroristischer Gruppierungen, die Billigung der von diesen begangenen Straftaten sowie die Anleitung und Aufforderung zur Begehung von Straftaten.

Vor diesem Hintergrund ist es ein Skandal – jenseits der inflationären Verwendung solcher Wertungen im nach Skandalen heischenden Medienzeitalter –, wenn rund 60 Journalisten und Rechtsanwälte, Universitätsprofessoren und Abgeordnete des Berliner Parlaments für die Herausgabe einer "Dokumentation" mit radikal-Texten verantwortlich zeichnen (siehe Beitrag auf Seite 5). Nicht minder fragwürdig ist, daß zu dem Herausgeberkreis neben den üblichen Verdächtigen aus dem "antifaschistischen" und "antirassistischen" Ghetto auch Studentenvertretungen gehören, die sich aus den Zwangsbeiträgen aller Studenten einer Hochschule finanzieren.


 
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