© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/97  04. April 1997

 
 
Rundfunk: Radio Brandenburg und Sender Freies Berlin 3 sollen fusionieren
Äpfel und Birnen kreuzen
von Karl-Heinz Jensen

Fast vierzig Jahre lang war das DDR-Fernsehen das langweiligste in ganz Deutschland. Dann wurde das System brüchig, das Fernsehen aber immer besser. Kaum hatte es den Namen gewechselt und sich wie in den Anfangsjahren Deutscher Fernsehfunk genannt, wurde es abgewickelt.

Lange war der Deutschlandsender, später "Stimme der DDR", der Lautsprecher für regierungsamtliche Erklärungen, die nur das Abschalten veranlaßten. Dann war plötzlich alles anders, der Sender war wieder einer für Deutschland und seine Kultur und erreichte mehr Hörer als je zuvor. Dann wurde er mit dem Rias, ebenfalls ein überaus beliebter Sender ohne Werbung, zusammengelegt. Danach waren beide erledigt. Jetzt geht es wieder los: Vor einem Jahr war zwar die Fusion von Berlin und Brandenburg, die auch eine Fusion der Rundfunkanstalten eingeschlossen hätte, in einer Volksabstimmung gescheitert, doch die Zusammenlegung von zwei ambitionierten Kultursendern, Radio Brandenburg und dem Sender Freies Berlin, drittes Programm (SFB 3), ist fast beschlossene Sache.

Der SFB 3 war lange ein Stadtprogramm, das eine Insel bildete für die, die von dem zunehmend ununterscheidbaren Gedudel öffentlicher und privater Sender genervt waren. Dafür ertrug man sogar die fast durchgehend von Achtundsechzigern getragene Belehrung, die politische Linkslastigkeit. Irgendwann hörten die Sprecher mit ihrem Palaver ja mal auf und machten anderswo kaum oder gar nicht gespielter Klassik Platz.

Unvergessen bleiben Sendungen wie die "Klassik zum Frühstück" oder die anschließende Literaturlesung, die zugunsten der arbeitenden Bevölkerung am Abend sogar wiederholt wird. Ein Sender also, der zumindest in Berlin ohne Konkurrenz blieb – bis zum Mauerfall. Es dauerte ein paar Jahre, doch dann etablierte sich – zuerst in Adlershof, jetzt in Babelsberg – ein Kulturprogramm, das dem SFB-Kultursender mit seinen seit langem unveränderten Programmstrukturen ernsthaft das Wasser abgrub: Radio Brandenburg. Während SFB 3 in seinen Wortprogrammen mehr und mehr den eisigen Charme der Deutschen Bank ausstrahlte, schmetterten die Brandenburger fröhlich ihre Frage in den Äther: "Was glauben Sie denn, ist Kultur?", um die Antwort gleich anzufügen, und zwar von Prominenten wie Hermann van Veen oder Erwin Geschonneck: "Radio Brandenburg!" Auf dem Weg zu einem niveauvollen Programm gab es natürlich Pannen, hausgemachte.

So war die Enttarnung des beliebten Rundfunkmoderators Lutz Bertram als Stasi-IM ein herber Schlag für das Morgenprogramm "Auftakt", das sich nur langsam davon erholte. Doch wurden hier nicht nur neue Sendestrukturen erprobt, sondern auch die Zusammenarbeit von so verschiedenen Redakteuren wie Ulf Kalckreuht (Ost), Olaf Leitner und Klaus Nothnagel (West).

Und es gab jede Menge Lust an Experimenten. Zum Beispiel die "deutsche Woche", in der eine Woche lang nur deutschsprachige Musik gesendet wurde, begleitet von interessanten Gesprächen und Umfragen. Die Hörerbeteiligung – das Nonplusultra jedes Senders – wuchs, ohne daß Geldpreise und Reisen in die Karibik versprochen werden mußten.

Es wundert daher, daß die Verwaltungschefs in Brandenburg der Fusion, die sie "Kooperation" nennen, zustimmten. Vielleicht lag es am (zu knappen) Geld, vielleicht am Opportunismus. Die Hörer jedenfalls wurden nicht befragt.

Kein Wunder, daß auch der SFB, jedenfalls dem Vernehmen nach, hinhaltenden Widerstand leistet. Unvoreingenommen betrachtet hat man den Eindruck, als ob hier Äpfel und Birnen gekreuzt werden sollen. Das mag als Multivitaminsaft vielleicht schmecken, als Radioprogramm aber wahrscheinlich ungenießbar sein. Was bleibt, ist der Rückgriff auf den CD-Player. Schade eigentlich.


 
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