© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    15/97  04. April 1997

 
 
Hochschule: Studentenvertreter mißbrauchen ihr Mandat
"Maulkörbe" vom Gericht
von Mirko Großmann

Die zumeist linken Studentenvertretungen an bundesdeutschen Hochschulen nehmen trotz anderslautender Gerichtsurteile ein allgemeinpolitisches Mandat wahr. Der Allgemeine Studentenausschuß (AStA) ist das vollziehende Organ der Studentenschaft einer Hochschule. Mit Ausnahme der Länder Bayern und Baden-Württemberg sind die Studenten zur Mitgliedschaft in der Studentenschaft zwangsverpflichtet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folgt aus der Zwangsmitgliedschaft in der Studentenschaft, daß diese zu äußerster Zurückhaltung verpflichtet ist und ein eigenes allgemeinpolitisches Engagement weder verfolgen noch erkennen lassen darf.

Doch die Themen der allgemeinpolitischen Betätigung unterscheiden sich von Universität zu Universität kaum. Ein Dauerbrenner ist die Forderung nach Wiederzulassung der verbotenen Kurdenpartei PKK. Es wird zu Demonstrationen gegen Castor-Transporte aufgerufen. Fast obligatorisch unterhält jeder AStA ein "Schwulen- und Lesbenreferat". Fehlen darf kein "Antifa-Referat". Mehrere Millionen Mark werden bundesweit jährlich für solche und ähnliche Aktivitäten ausgegeben. An einigen deutschen Hochschulen ist jetzt aber mit dieser Verschwendung studentischer Zwangsbeiträge Schluß. Auf Antrag einzelner Studenten wurden bereits einigen Studentenvertretungen allgemeinpolitische Äußerungen bei Androhung von Ordnungsgeldern verboten.

Als erstes wurde dem AStA der westfälischen Wilhelm-Universität in Münster im September 1994 durch eine einstweilige Anordnung untersagt, "politische Erklärungen, Forderungen und Stellungnahmen abzugeben, die nicht spezifisch und unmittelbar hochschulbezogen sind". Gleichlautende Anordnungen folgten gegen den Bonner AStA im März vorigen Jahres und den AStA der bergischen Universität Wuppertal im Juni 1996. In diesem Jahr ergingen Beschlüsse erstmals auch außerhalb Nordrhein-Westfalens. So wurde im Januar dem AStA der Justus-Liebig-Universität in Gießen durch den Hessischen Verwaltungsgerichtshof eine allgemeinpolitische Betätigung untersagt. Im Februar folgte eine Anordnung gegen den AStA der Philipps-Universität Marburg. In Dortmund und Bremen stehen die Verfahren noch aus.

Die betroffenen Studentenvertreter nennen diese Urteile wütend "Maulkorberlasse" Sie behaupten, daß sich Hochschulpolitik nicht von allgemeiner Politik trennen ließe. Linke sehen in der Universität einen Teil der Gesellschaft, in der auch die Studentenvertretungen eine gesellschaftspolitische Verantwortung haben. "Wenn ich mich über zuwenig Geld für die Hochschulen beklage, muß ich doch auch sagen dürfen, wofür offenbar noch genug da ist", meint ein Marburger AStA-Funktionär.

Dieser Argumentation, die einem allgemeinpolitischen Mandat Tür und Tor öffnet, sind die Verwaltungsgerichte bisher nicht gefolgt. In Münster war es zum Beispiel die Sympathiewerbung für die RAF, die nicht "spezifisch und unmittelbar hochschulbezogen" war. In Bonn hatte der AStA sich gegen die Atompolitik geäußert, und in Wuppertal waren es Äußerungen der Studentenschaft gegen Wehrpflicht, gegen Castor-Transporte und gegen die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern, die das Düsseldorfer Verwaltungsgericht beanstandet hat.

Der AStA in Marburg hat sich durch Verunglimpfungen der Bundeswehr und des Fuldaer Bischofs Dyba allgemeinpolitisch betätigt. Dort drohen den Studentenvertretern künftig für nicht hochschulspezifische Äußerungen Ordnungsgelder von bis zu 500.000 Mark. In Münster wurde der AStA bereits zu 2.000 Mark Ordnungsgeld verurteilt, weil er in seinem Semesterspiegel einen Artikel "BAföG statt Castor-Atomtransporte" veröffentlicht hat.


 
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