© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    16/97  11. April 1997

 
 
Rechtsstreit beendet:Der BUND Thüringen schließt einen Vergleich mit der VEAG
Neuzeitlicher Ablaßhandel?
von Gerhard Quast und Anneliese Metz

Für sieben Millionen Mark ließ sich der BUND die Klage gegen ein Pumpspeicherwerk abkaufen" überschrieb der Spiegel vergangene Woche einen Beitrag über den im Januar geschlossenen Vergleich zwischen dem thüringischen Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der in Berlin ansässigen Vereinigten Energiewerke (VEAG) im Rechtsstreit um das geplante Speicherwerk Goldisthal. Der Vergleich sieht vor, daß die VEAG dem BUND sieben Millionen Mark für eine zu gründende Stiftung bereitstellt. Als Gegenleistung erklärte sich der BUND dazu bereit, seine Verwaltungsklage zurückzuziehen, so daß dem Milliardenprojekt zur Elektrizitätsgewinnung, gegen das der BUND jahrelang angekämpft hatte, nun nichts mehr im Wege steht. Der für den 31. Januar anberaumte Termin zur Klagebegründung beim Verwaltungsgericht Meiningen wurde somit nicht wahrgenommen. Die Hamburger Zeitschrift mutmaßte nun, daß die VEAG dem Umweltverband mit der Sieben-Millionen-Spende "den Schneid abgekauft" habe und stuft diesen Vorgang zusammen mit einigen ähnlich gelagerten Fällen als neue Form von Ablaßhandel ein.

Das Prinzip "Cash gegen Natur" habe bereits den Bund für Vogelschutz und World Wide Fund for Nature bei ihrem Widerstand gegen ein neues Autowerk in den Rheinauen bei Rastatt gefügig gemacht. Beide Verbände hätten auf Einsprüche verzichtet und seien dafür mit einem "dreistelligen Millionenbetrag" entlohnt worden. Auch der Naturschutzbund (NABU) habe im Falle der brandenburgischen ICE-Strecke Hannover-Berlin bei den Verhandlungen mit der Deutschen Bahn (DB) klein beigegeben, nachdem "finanzielle Ausgleichsmaßnahmen" zugestanden worden waren. Als weiteres Indiz für den um sich greifenden ökologischen Ablaßhandel nennt das Magazin schließlich einen nicht weiter präzisierten Fall aus der niedersächsischen Gemeinde Münchehagen, wo "eine Giftmülldeponie im ’Verhandlungsverfahren’ bürgerverträglich gemacht werden" solle.

Betrachtet man die Belege, mit denen der Spiegel den "Sieg des Geldes" zu beweisen versucht, bleibt von dem Eindruck, es gebe bei den Umweltverbänden einen neuen Trend oder es drohe gar die Gefahr, der "Ablaßhandel könnte Schule machen", allerdings nicht viel übrig. Im Fall des Großtrappenschongebietes bei Buchow im Westhavelland handelt es sich um eine 19-Punkte-Vereinbarung aus dem Jahre 1995, in der Bedingungen festgehalten worden sind, die als Voraussetzung dafür dienen, daß die mit dem Ausbau der Stammstrecke verbundenen Gefahren für die Population der Großtrappe, aber auch für die dort lebenden Vogelarten wie Kranich, Schwarzstorch und Schreiadler, unter allen Umständen minimiert werden. So wurde für das Großtrappenschongebiet beispielsweise ein generelles Nachtbauverbot beschlossen und beidseitig der Trasse werden ausreichend hohe Erdwälle als Sicht- und Lärmschutz und als Schutz gegen das Anfliegen der Trappen an die Stromleitung und Masten vereinbart. Außerdem wurde zwischen dem Umweltministerium, der DB und dem NABU festlegt, daß der Umweltverband die Durchführung und Einhaltung der Auflagen überwacht. Gelder in die Taschen des Verbandes sind jedoch zu keiner Zeit geflossen.

Im Fall des Pumpspeicherwerks in Thüringen liegt der Fall zwar nicht ähnlich, sieht aber bei genauerer Betrachtung auch anders aus, als es auf den ersten Blick scheint. Der Landesverband Thüringen ist mit 1.300 Mitgliedern vergleichsweise schwach auf der Brust. Entsprechend dürftig sind die Finanzen, über die die Eisenacher Landesgeschäftsstelle verfügt. "Der BUND hat", so Landesvorsitzender Rolf-Uwe Beck, "alle Risiken eines langwierigen und für beide Seiten juristisch unsicheren Gerichtsprozesses gegen die Vorteile eines langfristig und effektiven Stiftungs-Projekts abgewogen. Ein Prozeß hätte uns viel Kraft und Geld gekostet." Auch der Landesgeschäftsführer Michael Spielmann schätzte die Chancen, den Prozeß zu einem positiven Ergebnis für den BUND zu führen, als "nicht gut" ein. Für die Zukunft ist er allerdings optimistisch. Auch wenn der BUND durch den Vergleich dieser "gigantischen Naturzerstörung" zugestimmt hat, heißt das nicht, daß sich der BUND den Verzicht auf Widerstand zukünftig abkaufen lassen wird. "Wir werden beweisen, daß wir nicht käuflich sind", so der BUND-Geschäftsführer.

Diese Feststellung scheint auch durchaus angebracht, denn ein konkretes Angebot gibt es bereits. Die Thüringer Talsperrenverwaltung fordert nun eine "Gleichbehandlung" hinsichtlich ihrer Pläne für die Leibistalsperre. Hauptgeschäftsführer Jens Peters wörtlich: "Wir warten nunmehr auf ein Angebot des BUND, für welchen Preis die Talsperre Leibis von den Naturschützern freizukaufen ist." Der Verzicht auf die nur zwanzig Kilometer vom Goldisthal entfernt geplante und in Angriff genommene größte Trinkwassertalsperre Deutschlands – wie das Pumpspeicherwerk eine Idee aus der Zeit der DDR, jedoch aus finanziellen Gründen nie realisiert – ist dem BUND Thüringen wichtigstes Anliegen. Während die VEAG-Millionen nun in eine Stiftung zur Förderung von Naturschutzmaßnahmen fließen, kann der kleine Landesverband seine bescheidenen personellen und finanziellen Ressourcen ganz auf den Kampf gegen die Landschaftszerstörung in Leibis konzentrieren. "Auf ein Angebot des BUND Thüringen", so eine Vertreterin der Geschäftsstelle gegenüber der JF, "werden die Planer der Leibistalsperre vergeblich warten". Im Gegenteil: "Jetzt können wir uns voll auf den Widerstand gegen die Talsperre Leibis und die Autobahnen durch den Thüringer Wald konzentrieren", räumt Landesvorsitzender Ralf-Uwe Beck alle Mißverständnisse aus dem Wege.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen