© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/97  18. April 1997

 
 
Anti-Wehrmachtsausstellung: Die Nachdenklichkeit nimmt zu
Zeit der Zwischentöne
von Ellen Kositza

Lassen Sie mich in Ruhe, verschwinden Sie!", bricht es aus der bieder wirkenden Frau heruas, die mit gefaßter Mine die Paulskirche verläßt. Er wolle sich doch nur mit ihr unterhalten, setzt Götz behutsam erneut an, gleichsam entwaffnend hat der Student das angebotene Flugblatt wieder zurückgezogen. Gepackt von einer beinahe panischen Art der Verzweiflung, die keine Worte findet für die Emotion, die die soeben betrachtete Bilderflut in ihr ausgelöst haben, schlägt die Frau dem jungen Mann hilflos und ungelenk gegen die Brust, hastet daraufhin, erschrocken über ihren eigenen Reflex, davon, dabei wie zur Rechtfertigung rufend: "Ich will nichts von euren Lügen hören, unmöglich, daß ihr hier eure Zettel verteilen dürft!"

Seit Montag ist Hannes Heers Ausstellung "Vernichtungskrieg – Verbrechen der Wehrmacht" nun in der Frankfurter Paulskirche zu sehen, wiederum ein – als Denkmal der friedlichen nationalen Revolution von 1848 – geschichtsträchtiger Ort, der gegen den Widerstand einiger CDU-Mitglieder auf Magistratsbeschluß zur Verfügung gestellt wurde. So waren es bereits in den ersten Tagen ihrer Präsentation in der Stadt am Main neben interessierten Bürgern zahlreiche Schulklassen, die kostenlos über das Symbol der Eisernen Kreuzes geführt wurden, das durch die Stellwände mit den Bilddokumenten begrenzt wird. Linda Reisch, Kulturdezernentin der Stadt Frankfurt, die es nach der Verweigerung der Oberbürgermeisterin Petra Roth war, die am Sonntag die Eröffnungsrede vor geladenem Publikum hielt, hatte in persönlichen Telephongesprächen Schulen und Lehrer zum Besuch der Dokumentation aufgerufen, sei doch die Paulskirche der geeignete Ort "für einen demokratischen Diskurs". Die Medien sprachen neben "Landesvater" Hans Eichel (SPD) auch Ignatz Bubis und der Finanzier der Ausstellung Jan Philipp Reemtsma – die "Kritik an der Ausstellung sämtlich zurückgewiesen", allein, daß von den Kritikern in diesem offiziellen Rahmen keiner zu Wort kam, blieb freilich unerwähnt.

Die Rolle der ergänzenden Kritik hat sich daher die zu diesem Zweck ins Leben gerufene Aktionsgemeinschaft Paulskirche zugeeignet, die sich als Zusammenschluß eines guten Dutzends Studenten als sachliche Gegenaufklärung begreift. Keine reflexartige Reaktion im Sinne einer Opposition, die allein durch die Einseitigkeit der für die Ausstellung Verantwortlichen zugewiesen wird, wünschen die jungen Männer und Frauen zum Ausdruck zu bringen, statdessen will man sich vielmehr als Anreger einer Diskussion verstehen, die wissenschaftliche Einwände zur Verfügung stellt sowie den soziologischen und pädagogischen Hintergrund der umstritenen Ausstellung hinterfragt. Nach einer fast zweiwöchigen Arbeit beinahe rund um die Uhr, etlichen Behördengängen und einem beträchtlichen finanziellen Aufwand erschien am vergangenen Samstag eine Erklärung zur Kritik an der "Anti-Wehrmachtsausstellung" im politischen Teil der FAZ, die schließlich eine Vielfaches an Unterzeichnern fand, als dann namentlich abgedruckt werden konnten. Vor der Paulskirche verteilten die Studenten Flugblätter, die sich bewußt jeglicher Polemik enthielten, eine Zusammenfassung und Zuspitzung der in der Öffentlichkeit bereits geäußrten sahbezogenen Kritik liefern und zugleich auf den Informationsstand hinwiesen, den die engagierten jungen Leute in der ersten Ausstellungswoche an der Frankfurter Hauptwache betreiben. Keinen Anlaß zur Hoffnung auf fruchtbare Gespräche mit interessierten Passanten und Ausstellungsbesucher brachten gleich die ersten Minuten, nachdem die Studenten mit ihren Flugblättern den U-Bahnhof verlassen hatten: "Flugblattkontrolle" schallte es ihnen aus mindestens acht Mündern unter mehrheitlich buntgefärbten Haarschöpfen entgegen, und sogleich wurde Marc, ein Mitglied der Arbeitsgemeinschaft, mit gezielten hohem Fußtritt zu Boden befördert, die Situation drohte zu eskalieren, wenn nicht beherzte Passanten den drei Studenten zu Hilfe gekommen wären.

Tapfer wirkten die beiden Damen, die ihre mit "JA! zur Wehrmachtsausstellung" beschrifteten Schilder in die Höhe hielten und sich auf Anfrage eisern und entschlossen gaben. "Nein, ihre Kritik zur Ausstellung interessiert uns nicht. Wir wollen nur hier stehen und unsere Auffassung kundtun, eben so lange, bis uns die Rechten zusamenschlagen", so eine der beiden. Sie blieben unbehelligt.

In den folgenden Tagen ergaben sich immer mehr Gespräche. Zwar kommt es immer wieder zu Rangeleien – ein Lehrer ließ sich demonstrativ einen Stapel Informationsschriften "zum Verteilen" aushändigen, um diesen vor den Augen ihrer Schüler mit dem Urschrei "Keine Macht den Faschisten" ungelesen in den Mülleiner verschwinden zu lassen – doch war die Masse der Passanten durchaus am Diskutieren interessiert und offen für eine sachliche Auseinandersetzung.

Informationen: Götz Kubitschek, Zeppelinstr. 175, 69121 Heidelberg


 
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