© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/97  18. April 1997

 
 
Parlamentsfernsehen: Der öffentlich-rechtliche Kanal "Phoenix" ist auf Sendung gegangen
Angriff auf die privaten Sender
von Frank Liebermann

Am 7. April war es soweit. Der neue Ereignis- und Dokumentationskanal Phoenix ging auf Sendung. Am ersten Tag war das Programm sofort ausgebucht. Die Rede des Bundespräsidenten Roman Herzog in Tokio wurde übertragen, gefolgt von der Verleihung der Ehrendoktorwürde an ihn und einem Interview mit Rita Süssmuth. In den nächsten Tagen folgte die Berichterstattung von den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts zur Änderung des Wahlrechts und vom DGB-Beschäftigungsgipfel. Der werbefreie Spartenkanal Phoenix sendet täglich von acht Uhr morgens bis Mitternacht. Zum Sendestart waren die meisten deutschen Fernsehhaushalte allerdings technisch noch nicht in der Lage, den neuen Kanal zu empfangen. Erst nach und nach soll das Programm – mit zeitlichen und örtlichen Einschränkungen – in den Kabelnetzen der meisten Bundesländer und über den direktabstrahlenden Satelliten Astra 1 D zu sehen sein.

Mit dem neuen Sender wollen die öffentlich-rechtlichen Macher einen eigenen Ereigniskanal etablieren. Schwerpunkte der Berichterstattung sind politische Ereignisse und bedeutende kulturelle und gesellschaftliche Geschehnisse. Dazu zählen die Produzenten des Kanals auch die Live-Übertragung von Bundestags- und Landtagsdebatten; hinzu kommen Debatten aus anderen europäischen Ländern. Zusätzlich sollen Dokumentationen gesendet werden, die weitgehend aus den Archiven von ZDF und ARD stammen.

Phoenix ist ein weiterer Kanal, der die Vormachtstellung der öffentlich-rechtlichen Sender ausbauen soll. Schon im Januar erweiterten ARD und ZDF ihre Programmpalette um den Kinderkanal. Der Expansionskurs setzt zu einer Zeit ein, in der die privaten Kanäle in der ersten Krise stecken. Nach den anfänglichen Erfolgen müssen nun auch die Privaten erkennen, daß der Markt kein unbegrenztes Wachstum zuläßt.

Um so mißtrauischer beäugen sie das Engagement der öffentlich-rechtlichen Kollegen, die aus ihrer anfänglichen Erstarrung erwacht sind und nun selber aktiv werden. Gezeigt hat sich das schon, nachdem im Januar der Kinderkanal von ARD und ZDF auf Sendung ging. Der etablierte Sender Nickelodeon hatte Probleme, einen neuen Sendeplatz zu bekommen und verlor etliche Zuschauer an den neuen Sender. Unter Phoenix leidet nun auch ntv. Der Nachrichtenkanal, der sich nur mit großer Mühe etablieren konnte und immer noch unter einem sehr geringen Zuschauerinteresse leidet, ist von der neuen Konkurrenz nicht begeistert. Massive Existenzängste machen sich dort breit.

Für ihre Senderoffensive sind ARD und ZDF bestens gerüstet. Die gebührenfinanzierten Sender haben ausreichend Personal- und Programmreserven, um in dem Wettbewerb bestehen zu können. Vor allem das hervorragend ausgebaute Korrespondentennetz wird sich als ein großer Vorteil erweisen. Hinzu kommt, daß die öffentlich-rechtlichen Sender sich nicht extra um Sendelizenzen und Sendeplätze bemühen müssen. Durch die Gebührenfinanzierung kommt ein weiterer Wettbewerbsvorteil hinzu: Der Sender kann auf Werbung verzichten und sendet ohne finanzielles Risiko.

Die Rechtfertigung für den neuen Kanal haben die Kommentatoren in ARD und ZDF schnell geliefert. Sie wollen angeblich ein neues Qualitätsprogramm bieten. Es sollen nicht nur Meinungen, sondern auch umfangreiche Hintergrundinformationen geliefert werden. Ob das als Parlamentskanal etikettierte Programm diesem Anspruch gerecht wird, muß sich in den nächsten Monaten erweisen.


 
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