© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    17/97  18. April 1997

 
 
Die Wahrheit: So lebt der "liberal-konservative" Unternehmer Ulrich-T. Langenberg
Bärenfang und Streusel
von Manuel Ochsenreiter

Knisternd öffnet Ulrich-T. Langenberg den Lokalteil seiner Zeitung, während er bedächtig sein Käsebrötchen kaut. Das Ei hat genau dreieinhalb Minuten, aus dem Radio klingen Melodien von Brunner & Brunner und seine Frau Vera steht vor der Dunstabzugshaube und holt den eingefrorenen Kuchen aus der Tiefkühltruhe, der beim nachmittäglichen Kaffeekränzchen (eigentlich eine Tupper-Party) verzehrt werden soll. Ulrich (seine Freunde nennen ihn Uli) sieht noch rasch mal eben den Börsenteil durch, um zu sehen, wie die Aktien stehen. "Sharholder Value" ist Ulis Zauberwort, sein Idol ist Jürgen Schrempp. Herr Langenberg nennt sich selbst "konservativ-liberal". Er ist Mitglied des örtlichen Lions Club, sitzt seit 14 Jahren im Vorstand des Tennisclubs und ist politisch interessiert, seit er denken kann. "Rechts neben ihm ist nur die Wand, sagt Uli immer", tönt Vera aus der Küche, "dabei ist er doch so kosmopolitisch". Uli und Vera sind erst letztens wieder nach New York geflogen "mit der Maschine in die Staaten" (Vera), um ins Musical zu gehen. Ja, und Luigi von der Pizzeria hat Uli in sein Herz geschlossen, denn bei dem weiß er, daß er "nichts mit Drogen, Hasch und Mafia und so" zu tun hat wie die anderen. Weiter hat Herr Langenberg ein schönes Haus ohne Schulden, "eine prächtige Ehefrau und zwei begabte, inzwischen erwachsene Kinder". "Jaja, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm…" – Ulrich-T. Langenberg ertappt sich dabei, daß er sich übermütig auf die Schenkel haut.

Langenberg fährt mit seinem 7er BMW zur Firma, die er "damals in den 50ern mit aufgebaut" hat. Heute ist er Geschäftsführer des florierenden Unternehmens. Er ist stolz darauf, mit dafür gesorgt zu haben, daß die Produktion schon in den frühen Achtzigern ins Ausland verlegt wurde. Lediglich das Management sitzt noch in Deutschland. Dort angekommen, bekommt er von Ursula, seiner Sekretärin erst mal einen Kaffee. "Ihr Kaffe ist viel köstlicher als der zu Hause, Fräulein Ursula", brüllt Uli und klopft Ursula auf den Hintern. "Die Lohnnebenkosten sind in Deutschland eben zu hoch." Uli zuckt mit den Schultern. "Ich sage Ihnen nur ein Wort: Asien!"

Er hat einen festen, organisiertenTagesablauf. Denn Langberg haßt Überraschungen und Aufregung. "Der kluge Mann baut vor" ist eine seiner liebsten Leitsätze. "Die Roten haben dieses Land heruntergewirtschaftet. Kein Wunder, wenn der Karren an die Wand fährt." Langenberg steckt sich eine R1 an, um sie sofort wieder auszudrücken. "Habe ich mir eben abgewöhnt", gesteht Uli errötend. Auch ist ihm vegetarische Kost jetzt lieber. Hat ihm sein Arzt geraten. Derweil steigt bei ihm zu Hause die große Tupper-Party, die seine Frau immer mal wieder veranstaltet. Vera vertreibt sich sonst ihre Nachmittage, um Französischkurse zu besuchen. "Frankreich ist sooo toll", sagt Vera. "Paris, der Eiffelturm, Louvre – suuuper". Uli sagte ja damals, daß er nicht möchte, daß seine Frau "Geld verdienen muß".

Ihre Tupper-Party driftet schnell ab. Grund: Die belgischen Kinderschänder und die lasche Justiz. Eine heiße Diskussion entbrennt zwischen den engagierten Damen, ob man die Triebtäter alle zuerst kastrieren sollte, oder gleich auf den elektrischen Stuhl setzen. Aber auch Arbeitslosigkeit ("Die meisten sind doch bloß zu faul…") und Drogen sind das Thema. "Ich weiß nicht, wo das alles noch enden soll", meint Vera resignierend. Ihre Backen sind gerötet.

Als Herr Langenberg von der Arbeit kommt, ist vom Kaffeekränzchen schon nichts mehr zu sehen. Es ist aufgeräumt und gelüftet. Langenberg mag kein "aufdringliches" Parfüm. Als ihm seine Frau aufgeregt von der Diskussion erzählt, entgegnet Ulrich-T. Langenberg milde lächelnd: "Ach Schatz, es ist zwar schön, daß ihr Euch auch schon Gedanken über Politik macht, aber überlegt Euch lieber mal, wie wir das nächste Tennis-Turnier organisieren."

Politisch engagieren will sich Uli nicht. "Politik ist ein schmutziges Geschäft und es ändert sich sowieso nichts." Als geborener Pommer und Verbindungsstudent ist er natürlich auch "national". Das Pommernblatt hat er aber abbestellt. "Man kann nicht mehr alles lesen und ich habe schon so viel abonniert." Langenberg gestikuliert armerudernd und deutet riesige Stapel von Zeitungen an. "Jeder will von einem nur Geld. Und man kann schließlich nicht allen geben, oder?" Letztes Jahr erst hat er 50 Mark gespendet. "Man sollte…", beginnt er gern seine Ausführungen zur Lösung der nationalen Fragen. "Man", das scheint selten er selbst zu sein. Seine Söhne, auch Verbindungsstudenten, sollen sich lieber um ihre Karriere kümmern, als politisch aktiv zu werden. Sie sind ohnehin in der Jungen Union, das muß reichen. "Da ist immer viel los, anständige Mädchen sind auch dabei und die machen keine Dummheiten."

Doch für die "Bewahrung der deutschen Kultur", wie er sich gerne pathetisch ausdrückt, trägt selbstverständlich auch er seinen Teil bei. So schockiert er seinen Besuch regelmäßig mit "schlesischem Streuselkuchen und Bärenfang". Das macht Spaß, das ist Provokation. Unter einem Stoß Merian-Hefte findet sich ein Exemplar des Bayernkurier.

Manchmal, am Abend, wenn Herr Langenberg im Bett liegt, fragt er sich, warum sich "in Deutschland" eigentlich nichts ändert. Es wollte ihm nicht einfallen.


 
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