© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    18/97  25. April 1997

 
 
Zeitschriftenkritik: "ÖkoLinX"
Bissige Öko-Antifa
von Gerhard Quast

Wer erinnert sich nicht gerne an die amüsanten Wortgefechte zwischen "Realos" und "Fundis" Mitte der 80er Jahre, als konservative Ökologen innerhalb der Grünen schon längst kein Bein mehr auf den Boden bekamen. Der Kampf zwischen Fundamentalisten und Pragmatikern wütete dermaßen, daß Sachpolitik hintanstehen mußte. Mit der Wende und schließlich im Zuge der deutschen Vereinigung zogen sich die uneinsichtigen Fundis mehrheitlich resigniert zurück und verließen die Partei.

Im Mai 1991 konstituierte sich schließlich aus diesen Resten die Ökologische Linke – in Konkurrenz auch zur SED-Nachfolgepartei, die im Westen als Linke Liste/PDS versuchte, Alt-68er- Gruppierungen, die sich damals allesamt in Auflösung befanden, an sich zu binden. Während Trotzkisten und ML-Sektierer zur PDS überliefen, blieben die Ökofundis unter sich und feilten monatelang an einer Grundsatzerklärung. Gefordert wurde darin "eine Gesellschaft ohne Lohnarbeit, Geld und Waren, eine Gesellschaft, die Gebrauchsgüter herstellt ohne dies asketisch zwanghaft zu regulieren, aber auch ohne das grenzenlose Wachstum des kapitalistischen Wirtschaftens mit seinem Zwang zur Konkurrenz, zu Egoismus, Ellbogengesellschaft und Konsum".

Erster Probelauf für die Akzeptanz im linken Lager waren die Frankfurter Kommunalwahlen 1991, bei der die "ÖkoLi" 1,2 Prozent erzielte. Von diesem und einigen wenigen anderen mißlungenen Wahlgängen abgesehen, beschränkte sie sich fortan auf eine "außer- und antiparlamentarische Opposition" gegen "Ökoimperialismus, Nationalismus, Rassismus und Ökofaschismus" und konzentrierte sich dabei vor allem auf die publizistische Begleitung der "Basisbewegungen" gegen "die rechte Vegan- und Tierrechtsszene, Biozentrismus und esoterische Tiefenökologie" mittels ihrer Zeitschrift ÖkoLinX, deren 25. Ausgabe nun vorliegt.

Vom Selbstverständnis her ist die ansprechend aufgemachte Publikation eine "autonome Zeitschrift", die der Ökologischen Linken "verpflichtet" ist und von "TraditionssozialistInnen" à la DKP, PDS, Arbeiterbund, Kommunistischer Plattform sowie Junge Welt rein gar nichts mehr erwartet. Kompromißlos bekämpft werden müssen die "(öko)faschistischen" Richtungen nach Ansicht der Herausgeber besonders deshalb – so die Begründung für die thematische Beschränkung –, weil sie sich bis in die Antifa-Szene breitmachten oder sogar daraus hervorgingen. Nicht nur dieser Blickwinkel in das Innenleben und -denken so mancher linker Gruppierung macht diese bissige Schrift so reizvoll, auch die zum Teil anregende Auseinandersetzung mit Bioregionalismus und Tiefenökologie – so beispielsweise in einem ausführlichen Interview mit dem amerikanischen Marxisten Murray Bookchin ("Wir sind dem blinden Prozeß der Evolution nicht ausgeliefert") – hat der Zeitschrift auch in naturkonservativen Kreisen neue Leser beschert.


 
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