© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    19/97  02. Mai 1997

 
 
Erinnerung: Als die deutsche "Legion Condor" die heilige Stadt der Basken zerstörte
Der tragische Tod Guernicas
von Jochen Arp
Dieter Stein und Kai Guleikoff

Bundespräsident Herzog hat die überlebenden Zeitzeugen der Bombardierung der baskischen Stadt Guernica vor 60 Jahren um "Versöhnung" gebeten. In einem Grußwort, das vom deutschen Botschafter Henning Wegener anläßlich einer Gedenkstunde verlesen wurde, heiß es, der Tag von Guernica gehöre "zur kollektiven Erinnerung unserer Völker" (siehe Dokumentation). Was geschah wirklich vor 60 Jahren in dem kleinen Ort im Baskenland?

Guernica, heilige Stadt des baskischen Volkes, birgt die drei Symbole des baskischen Freiheitskampfes: Der Stumpf der alten heiligen Eiche (1860 durch Blitzschlag gefällt), das baskische Parlamentsgebäude Casa de Juntas und die dort befindliche neue Eiche. An der Heiligen Eiche tagte seit altersher der baskische Rat. Hier schworen die spanischen Könige, die baskischen Sonderrechte zu achten. 1936 wurde in Guernica die Autonomie erklärt.

Guernica wurde zu einem der tragischen Brennpunkte des spanischen Bürgerkrieges, der am 18. Juli 1936 im nordafrikanischen Melilla begann und mit der Kapitulation Madrids am 28. März 1939 endete. Linke Republikaner standen rechten Anhängern Francos gegenüber. General Franco, seit dem 29. September 1936 Staatschef der nationalspanischen Gegenregierung, hatte General Sperrle, den Kommandeur der deutschen "Legion Condor" gebeten, strategische Punkte Kataloniens und des Baskenlandes zu bombardieren. Die Legion Condor war aufgrund eines inoffiziellen Abkommens zwischen Hitler und Franco in Spanien mit etwa 5.000 Mann im Einsatz.

Am 26. April 1937 griffen auf dringendes Verlangen der sechs Kilometer vor Guernica kämpfenden nationalspanischen Fronttruppen 2 He 111, 1 Do 17 E, 18 zum Bombenabwurf umgerüstete Transportflugzeuge Ju 52 der deutschen Legion Condor sowie drei Savoia Marchette 79 der italienischen Interventionstruppen die Brücke von Guernica und die darüber führenden Straßen mit Spreng- und Brandbomben an.

Im Tagebuch Chefs des Generalstabes der Legion Condor, General Wolfram Freiherr von Richthofen, ab 1938 Oberbefehlshaber, heißt es über das Ziel des Angriffs: "Straßen und Brücken einschließlich Vorstadt hart ostwärts Guernica. Dort muß zugemacht werden, soll endlich ein Erfolg gegen Personal und Material des Gegners herausspringen. Vigón (nationalspanischer Oberst) sagt zu, seine Truppen so vorzudrücken, daß alle Straßen südlich Guernicas gesperrt sind. Gelingt das, haben wir den Gegner um Marquina im Sack."

Der Einsatzbefehl für die italienischen Bomberbesatzungen, ausgegangen von der italienischen Kommandostelle des Flughafens Soria, sagt gleiches: "Die Straßen und Brücken ostwärts von Guernica müssen so bombardiert werden, daß der Rückzug des Feindes behindert wird." Die insgesamt 23 Maschinen warfen in mehreren Einsätzen auf die kleine baskische Stadt 250-kg- und 50-kg-Sprengbomben sowie 1-kg-Brandbomben eines Modells, das noch aus dem Ersten Weltkrieg stammt, eine Standard-Bombenmischung, wie sie seinerzeit gegen Brücken eingesetzt wurde.

Der jetzt im Ruhestand lebende frühere leitende wissenschaftliche Direktor des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes, Horst Boog, schrieb 1995 in der Zeitschrift Militärgeschichte über den Angriff auf Guernica: "Heute nennt man dies Interdiction, das heißt das Abschneiden eines Zuganges zum oder Rückweges vom Gefechtsfeld. Den Gegner an der Flucht zu hindern, war die Absicht des Bombenangriffes. In diesem Falle trugen allerdings auch Rauchentwicklung und Wind dazu bei, daß die ganze Stadt in Mitleidenschaft gezogen wurde." Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT bekräftigt Boog, daß es sich bei dem Vorgehen der Legion Condor um eine klassische taktische Maßnahme der Heeresunterstützung gehandelt habe. Die Verantwortung für den Angriff trage die zu unterstützende spanische Bodentruppe.

Tatsächlich meldeten schon die ersten vom Einsatz zurückgekehrten Besatzungen der Ju 52, daß bereits vor dem Angriff in der Stadt ein Brand wütete. Einen Tag später erreichte Richthofen die Nachricht, daß "Guernica zu brennen scheint". Er notierte in seinem Tagebuch, daß diese Meldung für ihn "beunruhigend" war, ließ sich aber durch eine Erklärung der Franco-Regierung, baskische Truppen hätten die Stadt angezündet, um einen internationalen Entrüstungssturm zu entfachen, besänftigen. Am 29. April 1937 wurde Guernica von nationalspanischen Truppen eingenommen. Dabei stellte man fest, daß – so Richthofen – "Guernica buchstäblich dem Erdboden gleichgemacht" sei. Im Tagebuch notiert er die Erklärung: "Wegen des Qualms konnte keiner Straßen und Vorstadtziele erkennen. Man warf nur mitten hinein. Die 250-kg-Sprengbomben warfen eine Anzahl Häuser um und zerstörten die Wasserleitung. Die Brandbomben hatten nun Zeit, sich zu entfalten und zu wirken. Die Bauart der Häuser: Ziegeldächer, Holzgalerie, Holzfachwerkhäuser führten zu einer völligen Vernichtung. Einwohner waren größtenteils wegen eines Festes außerhalb, die Masse des Restes verließ die Stadt gleich zu Beginn. Ein kleiner Teil kam in den getroffenen Unterständen um. Stadt war völlig gesperrt für mindestens 24 Stunden. Es war die geschaffene Voraussetzung für einen großen Erfolg, wenn Truppen nur nachgerückt wären." Beim Angriff wurden nach amtlichem Polizeibericht 266 Zivilisten getötet, mehrere Hundert verwundet. Fast 86 Prozent der Stadt wurde durch Brände zerstört. Wie durch ein Wunder blieb die Kirche Santa Maria, die Casa de Juntas und die Eiche erhalten. Dennoch war und ist es ein Relikt der einstigen psychologische Kampfführung, von den Komintern bis zu britischen Zeitungen, wenn behauptet wurde und wird, die Legion Condor habe gezielt eine Terrorangriff gegen die Zivilbevölkerung geflogen.

Das Militärgeschichtliche Forschungsamt, dem Bundesverteidigungsministerium zugehörig, hat bereits 1975 eine ausführliche Studie des Historikers Klaus A. Majer und eine weitere in dem von eben diesem Forschungsamt – damals noch unter Leitung des Reemtsma-Unterstützers Manfred Messerschmidt – herausgegebenen Militärgeschichtliche Mitteilungen 1987 von dem an der Universität Lancaster lehrenden Hans-Henning Abendroth veröffentlicht, die den Sachverhalt wissenschaftlich exakt darlegten ("Guernica: Ein fragwürdiges Symbol"). Abedroth schreibt dort: "Abschließend muß festgestellt werden, daß weder die Indizienbeweise, noch die ... Primärquellen eine sichere Grundlage für die Behauptung geschaffen haben, es sei die Intention der Legion Condor gewesen, die Bevölkerung des Baskenlandes durch die Zerstsörung ihrer ’heiligen Stadt’ auf die Knie zu zwingen. Die Terrortheorie ... ist somit als äußerst fragwürdig zu bewerten. Dennoch wird Guernica zweifellos als antifaschistisches Kampfsymbol fortbestehen. Symbole dieser Art beziehen ihre Kraft oft aus tief empfundenen politischen Überzeugungen und nicht aus der Wirklichkeit. Und das gilt zweifellos für das Guernica-Symbol. Aber gerade deshalb ist es so wichtig, von Zeit zu Zeit darauf hinzuweisen, daß die in diesem Symbol implizierte Terror-Anschuldigung gegen die Legion Condor keine wissenschaftliche Grundlage hat."

Der Bundespräsident hätte nur auf dem Dienstweg über das Verteidigungsministerium die beiden Studien zu beschaffen brauchen, um nicht in dieser peinlichen Weise wieder einmal unberechtigt deutsche Schuld zu demonstrieren.


 
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