© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/97  09. Mai 1997

 
 
Zaire und Uganda: Neue Eliten und die Vision der "Vereinigten Staaten von Afrika"
Frankreichs Machtzerfall in Afrika
JF

Das Ende des Kalten Krieges bedeutete auch für die gesamte politische Entwicklung Afrikas eine – wenn auch langsame – Kursänderung. Das erste Tabu, das gebrochen wurde, war die Unverletzlichkeit der kolonialen Grenzen. Den Anfang machte die Anerkennung der Unabhängigkeit Eritreas 1991. Danach wurde noch einmal eine alte Grenze geändert, indem man die früher zu Südafrika gehörende Walfischbucht Namibia zuschlug.

Inzwischen sind die Demarkationslinien der Kolonialzeit längst keine heiligen Kühe mehr. Immer mehr prominente Afrikaner sprechen davon, auch diese Erinnerungen an die schmerzliche Epoche des europäischen Imperialismus beseitigen zu wollen. Doch die Interessengegensätze in dieser Frage sind erheblich.

Die stärkste Machtgruppierung, der umfassende Veränderungen der staatlichen Strukturen des Schwarzen Kontinents vorschweben, hat sich um den ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni geschart; ihr gehören auch der zairische Rebellenführer Laurent Kabila sowie der tatsächliche Machthaber in Ruanda, Vizepräsident und Verteidigungsminister Paul Kagame, an. Kagames Unterstützung für Kabila wurde bezeichnenderweise auch schon als "Tutsi-Imperialismus" abgestempelt. Doch ein derartiger Erklärungsversuch greift wohl zu kurz, zumal ganz Zentralafrika im Umbruch scheint und starke Anzeichen auf das Vorhandensein eines pan-afrikanischen Programms hindeuten. Nicht zuletzt ist auch der sudanesische Rebellenführer Garang als Exponent einer mächtigen Einigungsbewegung der Schwarzafrikaner in der Mitte des Kontinents zu verstehen. Dank der gegenseitigen Unterstützung macht sein Kampf gegen das arabische Regime in Khartoum in letzter Zeit gewaltige Fortschritte. Die Reaktionen der traditionellen Führungsschicht, zu der neben anderen Kenias Präsident Arap Moi und natürlich auch Zaires Mobutu Sese Seko gehören, ist bislang plump und wirkungslos. Die "Neuen" dagegen wissen, wie ethnische Loyalitäten und Stammesbande mit panafrikanischen Slogans zu versöhnen sind und sprechen schon offen von den zukünftigen "Vereinigten Staaten von Afrika".

Die Existenz dieses Unionskonzepts ist auch weltpolitisch gesehen mitnichten ein Zufall. Die "Neuen", obwohl alle mit marxistischen Biographien, verhalten sich machtpolitisch als Pragmatiker, die sich an die USA anlehnen wollen, um so den französischen Einfluß in der Region einzuschränken. Die Franzosen, als die frühere Kolonialmacht in Zentralafrika, haben die Sympathien dieser Gruppierung durch außenpolitische Fehler während der jüngsten Krisen in der Mitte des Kontinents verspielt. Angesichts der Massaker in Ruanda hätten sowohl Frankreich als auch Belgien falsch gehandelt, lautet der Vorwurf. Paris habe mit Hilfe Sese Sekos seine schützende Hand über die Hutu-Massenmörder gehalten und obendrein Druck auf die neue Führung in Ruanda ausgeübt, um eine Amnestie für die Hutu-Milizen zu erreichen.

Vor allem seit den Reformen Musevenis in Uganda ist den Franzosen ihre regionale Vormachtstellung langsam, aber sicher entglitten. Mit einem für afrikanische Verhältnisse an ein Wunder grenzenden Wirtschaftswachstum von sieben Prozent hat der ugandische Präsident dank Privatisierungen und anderer wirtschaftlicher Liberalisierungen die Bahn für größere Investitionen frei gemacht. Museveni ist sicherlich kein Demokrat, aber er ist auch kein Milton Obote, den er 1986 gestürzt hatte, und erst recht kein Idi Amin. In den Augen Washingtons scheint er jedenfalls der richtige Mann zu sein. Berichte, welche die USA beschuldigen, die ganze Region aus der französischen Einflußspäre in die eigene hinüberziehen zu wollen, sind wohl übertrieben, aber man steht in Washington den aktuellen Entwicklungen in Zentralafrika keineswegs von vornherein negativ gegenüber.

Auch das eifrige Drängeln Südafrikas auf Verhandlungen zwischen den zairischen Bürgerkriegsparteien hat wenig mit der Friedensliebe der ANC-Führung zu tun, sondern es beruht vor allem auf der persönlichen politischen Überzeugung von Vizepräsident Thabo Mbeki. Die Ansichten von Mandelas Kronprinz hinsichtlich eines künftigen afrikanischen Machtblock sind kein Geheimnis. Seine Vorstellungen als ausgewiesener "Panafrikanist" schließen auch die unter den afrikanischen Führungseliten sehr weit verbreitete Furcht vor einer ethnischen Zerplitterung des Kontinents ein.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen