© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    20/97  09. Mai 1997

 
 
Gemeinsame Erklärung der Kirchen zur Mediengesellschaft vorgestellt
Mehr Medien für Mobutu
von Mathias von Gersdorff

Am 20. April wurde in Frankfurt am Main die gemeinsame Erklärung der Deutschen (katholischen) Bischofskonferenz und des Rates der Evangelischen Kirche Deutschlands "Chancen und Risiken der Mediengesellschaft" vorgestellt. Das Dokument wurde von einer Kommission beider Kirchen erarbeitet. Erneut nehmen sie damit Stellung zu grundsätzlichen medienpolitischen Fragen. Die Kirchenvertreter zeigten sich besorgt, daß "die schnelle Veränderung eines zentralen Bereichs der Kultur nur noch von technischen und ökonomischen Interessen vorangetrieben wird".

Ursachenforschung wurde indes kaum betrieben: In der Tat gehen die Verfasser der Erklärung kaum auf die ideologischen Zielsetzungen der Verantwortlichen in den modernen Medien ein – meistens Anhänger der 68er Revolte. Unerwähnt bleibt merkwürdigerweise die Hetze gegen das Christentum durch Gotteslästerungen in erheblichen Teilen der Medien. Auch Glaube und Moral – eigentliches Gebiet der Kirche – werden nur am Rande behandelt. Nach der Erklärung würden seit einem Jahrzehnt die Medien vorrangig von ökonomischen Interessen bestimmt, anstatt sich an kultureller Identität zu orientieren. Der Staat ziehe sich aus der Regulierung zurück. Statt dessen dominierten heute "mächtige Medienmultis". Durch "Elefantenhochzeiten" beherrschten die "international tätigen Konzerne" immer größere Marktanteile, wodurch "eine politische am Gemeinwohl orientierte Steuerung der Medienentwicklung" begrenzt werde, heißt es in der Erklärung.

Diese Rhetorik aus den 70er Jahren, die eher an die Marxsche Akkumulationstheorie als an ein geistliches Mahnwort erinnert, durchzieht den gesamten Text. So wird dafür plädiert, daß man die "internationale Verträglichkeit" der technologischen Entwicklung überprüft, damit nicht "den ärmeren und unterentwickelten Ländern weitere Nachteile entstehen, weil sie sich die neuen Technologien nicht leisten können und deshalb im Wettbewerb noch weiter zurückfallen". Auch wird bemängelt, daß "nach wie vor Medienangebote und der Informationsfluß von den reichen Industrienationen dominiert werden". Deshalb sei eine "Weltinformationsordnung" angebracht, um den westlichen "Kulturimperialismus" zu verhindern. Im nationalen Bereich sehen die Verfasser des Dokuments einen Konflikt zwischen der Medienentwicklung und der Sozialverträglichkeit: "Den Möglichkeiten des technisch Machbaren steht die Frage ihrer sozialen Wünschbarkeit und ihrer Sozialverträglichkeit gegenüber. Dieser Konflikt ist keineswegs auf den Bereich der Kommunikationsmedien beschränkt, sondern ist für hochtechnisierte, fortgeschrittene Industriegesellschaften typisch und läßt sich an einer Reihe anderer Sachverhalte darstellen." Ein Risiko sieht die Erklärung zum Beispiel in den riesigen Honoraren der Stars der Unterhaltungsindustrie und des Sports: "Die größten und kapitalkräftigsten Veranstalter – vor allem private Fernsehsender – sichern sich exklusiv die zugkräftigsten Namen und Ereignisse." "Ein "immer schärferer Wettbewerb" führe "zu einer deutlichen Konzentration der publizistischen Macht auf immer weniger große Medienunternehmen. (…) Die Ursachen der Konzentration im Mediensystem liegen dabei auch in den Bedingungen einer hochindustrialisierten, kapitalintensiven Wirtschaftsstruktur." Und was folgt daraus? "Eine solche Entwicklung ist letztlich aber mit einem demokratischen System, das auf konkurrierende Meinungsbildung angewiesen ist, unvereinbar."

Es wird wohl niemanden mehr wundern, wenn dann bei den Handlungsempfehlungen "Machtoligopole" angeprangert werden, denn "die Medien- und Kommunikationssysteme dürfen nicht so gestaltet werden, daß sie einer Monopolbildung von wirtschaftlicher und politischer Macht, von Information und Technologie Vorschub leisten". Die Entwicklungsländer wurden auch bedacht: Es "sind internationale Vereinbarungen notwendig, die den Ländern der sogenannten Zwei-Drittel-Welt die Wahrnehmung ihres Rechts auf Kommunikation ermöglichen". Mehr Medien-Macht für Mobutu? Die Verharmlosung der Gefahren vieler Medienprodukte für Glauben und Moral machen die gemeinsame Erklärung für die meisten Christen uninteressant und sogar realitätsfremd. Verglichen mit den Dokumenten aus dem Vatikan, die in einem scharfen, recht kritischen Stil gegen die Medien verfaßt sind und die Gefahren für Glaube und Moral hervorheben, geht diese Schrift äußerst behutsam mit den Verantwortlichen um. Diese Erklärung wird deshalb kaum irgendwelche Impulse geben.

Mathias von Gersdorff ist Autor des Buches "Der Einfluß von Film und Fernsehen auf den Menschen: Die Lehre der Päpste von Pius XI. bis Papst Johannes Paul II."


 
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