© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/97  16. Mai 1997

 
 
Kennezeichen D
Kolumne
von Heinrich Lummer

Es gab einmal zwei Deutschlands. Manche sprachen von zwei deutschen Staaten, andere von zwei Staaten in Deutschland. Damit man sie unterscheiden konnte, gaben sie sich verschiedene Namen. Deutsche Demokratische Republik die einen – obschon sie "weder deutsch noch demokratisch, noch eine Republik" (Willy Brandt) war, Bundesrepublik Deutschland die anderen. Weil diese Namen lang waren, ging man alsbald dazu über, sie abzukürzen: DDR auf der einen, BRD auf der anderen Seite. Im Westen stritt man sich darüber, ob man Bundesrepublik Deutschland so abkürzen dürfe. Seit der Wiedervereinigung sind diese Zeiten gottlob vorbei. Deutschland gibt’s nur noch einmal. Deshalb genügte heute eigentlich das Kennzeichen D. Und es genügte, wenn man von Deutschland spricht. Da bedarf es keiner weiteren Zusätze. Auch muß man diesen Staat nicht "Bundesrepublik" nennen, wenn man Deutschland meint.

Konnte man vor der Wiedervereinigung den Gebrauch der Bezeichnung "Bundesrepublik Deutschland" damit rechtfertigen, daß diese Begriffsbestimmung zur besseren Unterscheidung der beiden Staaten in Deutschland notwendig erschien, entbehrt diese Begründung heutzutage jeder Grundlage. Auch diente die Bezeichnung "Bundesrepublik" der Abgrenzung zur ehemaligen DDR. Gewiß ist die DDR der Bundesrepublik beigetreten. Aber man muß die Menschen in den neuen Bundesländern nicht dauernd daran erinnern, daß sie einem "anderen Staat" beigetreten sind und dabei einen Teil ihrer Identität zunächst einmal verloren haben. Durch die Praxis des weiteren beharrlichen Verwendens der Bezeichnung "Bundesrepublik" könnte sich vielleicht so manch einer aus den neuen Ländern ausgegrenzt fühlen. Das sollte nicht sein.

Zur hoffentlich einkehrenden Normalität gehört es auch, in Zukunft so zu verfahren, wie andere Länder dies tun. So mag man in offiziellen Dokumenten von der "Republik Frankreich" sprechen. In der Umgangssprache heißt das Land jedoch einfach Frankreich. Wir haben allen Grund, genauso zu verfahren. Dies wäre ein Ausdruck selbstverständlicher Normalität. Schließlich liegt nicht nur des Witzes Würze in der Kürze. Von Deutschland zu sprechen spart auch noch Raum und Zeit. Es ist deshalb notwendig, zu dem einheitlichen Sprachgebrauch zu gelangen, unseren Staat einfach nur Deutschland zu nennen.

Heinrich Lummer, Berliner Innensenator a. D., ist CDU-Bundestagsabgeordneter


 
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