© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    21/97  16. Mai 1997

 
 
Außenpolitik: Klima in Paris, Schüssel in Nahost, Vranitzky in Albanien
Wiens künftige Rolle
von Jürgen Hatzenbichler

Man müsse "das Gefühl der Unsicherheit eliminieren", das "heute viele Geister vergifte", erklärte Bundeskanzler Viktor Klima anläßlich seines Paris-Besuchs. Ein Jahr bevor Österreich den Vorsitz in der EU übernimmt, ist die Bundesregierung in die außenpolitische Offensive gegangen und sondiert, was zu machen ist, wenn die Alpenrepublik erstmals "Europa führen" wird. Dabei dürfte insbesonders Bundeskanzler Klima klar sein, daß nicht alles zum Besten steht. Gegenüber französischen Medien erklärte er, daß die Bedeutung der Euroskepsis zwar nicht überbewertet werden dürfe, aber: "Es stimmt, die Österreicher erwarten zuviel von Europa – sogar, daß die Preise sinken."

Bundeskanzler Klima weilte mit Innenminister Karl Schlögl und Staatssekretär Peter Wittman einen Tag lang in der französischen Hauptstadt. In Gesprächen mit den jeweiligen Amtskollegen wollte man vornehmlich Fragen der Europa-Politik abklären. Bei einem Treffen mit Frankreichs Wirtschaftsminister Jean Arthuis versicherte Klima, daß Österreich auf der Beibehaltung des Euro-Fahrplans bestehe. Bei einem Arbeitsessen mit Frankreichs Präsidenten Jacques Chirac im Elysée-Palast kamen vor allem Fragen der EU-Reform und der österreichischen Sicherheitspolitik zur Sprache. Viktor Klima vertrat die Position der kleinen Länder, daß jedes Land einen EU-Kommissar haben sollte. Chirac zeigte sich diesbezüglich ablehnend: nach Vorstellung der Franzosen soll die EU-Kommission möglichst klein gehalten werden. Dafür macht sich Frankreich verstärkt Sorgen um die Frage der europäischen Sicherheit, wobei man vor allem auf die NATO setzt. Frankreich akzeptiere zwar Österreichs Neutralität, Präsident Chirac lockte trotzdem: Österreich könne jederzeit NATO-Mitglied werden, ohne auf eine Erweiterungsrunde warten zu müssen, bot Chi-rac an. Klima gab sich in dieser Frage sehr zurückhaltend.

Als "erfolgreich" bilanzierte auch Vizekanzler Wolfgang Schüssel seinen Besuch in Israel. Auch Schüssel sondierte für den österreichischen EU-Vorsitz, wobei er sowohl den Kontakt zu israelischen als auch palästinensischen Stellen suchte. Schüssels Erfahrungen waren aber zwiespältig. Während die Palästinenser in der Frage der Nahost-Friedenspolitik scheinbar vermehrt auf die europäische Karte setzen wollen, weil man gegenüber den USA etwas das Vertrauen verloren hat, will Israel, so Schüssel, "auf die europäische Vermittlung lieber verzichten". Bei einem sehr herzlichen Treffen mit Palästinenserchef Yassir Arafat, zeigte sich dieser sehr pessimistisch bezüglich der jüngeren Entwicklungen. Es gebe, beklagte sich Arafat, aufgrund der Pendeldiplomatie Washingtons, "keine brauchbaren Ansätze für direkte Verhandlungen". Ganz offensichtlich hat man von Seiten der Palästinenser sehr großes Vertrauen in die österreichische Seite und erwartet sich wohl auch dementsprechende Impulse aus der EU, wenn die Alpenrepublik den EU-Vorsitz hat.

Währenddessen agiert Altbundeskanzler Franz Vranitzky in Albanien. Sein Versuch, das Land der Skipetaren zu befrieden, darf so auch als Teil des österreichischen Bestrebens verstanden werden, europapolitische Kompetenz zu beweisen.


 
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