© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/97  23. Mai 1997

 
 
Artenschutz: Tiere sollen wirtschaftlichen Interessen geopfert werden
Vom Feilschen um bedrohte Tiere
von Sandra Altherr

Alle zwei bis drei Jahre kommen die mehr als 130 Staaten, die inzwischen dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen (CITES) angehören, erneut zusammen, um festzulegen, welche Arten in die Listen aufgenommen oder herausgenommen werden bzw. ob sich der Schutzstatus bereits gelisteter Arten ändert. Und diese Verhandlungen ähneln teilweise eher einem orientalischen Basar oder einem politischen Machtspiel. Denn bei den Debatten über Auf- oder Entnahme bzw. Erhöhen oder Senken des Schutzstatus spielen für einige Staaten eher politische und wirtschaftliche Interessen eine Rolle als der Artenschutz. Hinter den Kulissen werden oftmals regelrechte Geschäfte à la "Eine Hand wäscht die andere" ausgehandelt. So sucht Japan zum Beispiel Partner für seinen Antrag, den Zwergwal von Anhang I auf Anhang II herabzustufen und damit den internationalen Handel mit Walfleisch wieder zu ermöglichen. Im Gegenzug will Japan entsprechende Anträge seiner Partner mittragen, zum Beispiel zum Thema Elfenbein. Bereits im Vorfeld der diesjährigen CITES-Tagung wurde zumindest eine Tiergruppe den Wirtschaftsinteressen geopfert – die Haie. Mindestens 80 der 400 Arten sind durch Überfischung gefährdet, mindestens zehn vom Aussterben bedroht. Genaue Zahlen über das Ausmaß des Handels mit Haiprodukten gibt es nicht – und am Haigeschäft beteiligte Länder wie Panama, Mexiko oder Japan verschleiern die Fakten. Doch genau solche fundierten Daten wären für einen CITES-Antrag zum Schutz von Haien, wie ihn die USA ursprünglich planten, Voraussetzung.

Nach Angaben des CITES-Sekretariats war bei Redaktionsschluß kein Antrag für den Schutz von Haien bekannt. Fazit: Die Haie bleiben vorerst ungeschützt – und die Wirtschaftsinteressen der Haifänger uneingeschränkt.

Keine Frage – das Washingtoner Artenschutzübereinkommen hat den Handel mit bedrohten Tierarten sicherlich eingedämmt. Doch eine große Schwäche ist zweifellos die Tatsache, daß in den Anhängen nur Arten gelistet sind, die schon längere Zeit im Handel eine Rolle spielen. Über den Bedrohtheitsgrad einer Art sagt dies allerdings überhaupt nichts aus. So wird zum Beispiel die Nachfrage deutscher Terrarien- und Aquarienbesitzer für Geckos oder Frösche Madagaskars seit einigen Jahren durch Fachzeitschriften und Bücher gezielt angestachelt. Der Handel blüht, doch in den Anhängen von CITES sind die wenigsten gelistet. Von den zahllosen Arten und Unterarten z.B. des tropischen Regenwaldes, die noch gar nicht bekannt oder genau beschrieben sind, ganz zu schweigen. Dutzende Anträge werden auf der Tagung im Juni den Mitgliedsstaaten diskutiert werden, darunter zum

Beispiele:

– Breitmaulnashorn: Südafrika beantragt ein sogenanntes "Downlisting" von Anhang I auf Anhang II und damit das Wiederzulassen des Handels vor allem mit dem begehrten Horn.

– Störe, die "Lieferanten" für Kaviar: Von den 25 noch existierenden Störarten sind 24 gefährdet bis extrem gefährdet. Sie sollen laut einem Antrag Deutschlands, Rußlands und der USA in die Listen des Washingtoner Artenschutzübereinkommens aufgenommen werden. Ein Präzedenzfall, da noch nie zuvor ein für den Handel relevanter Fisch durch CITES geschützt wurde.

– Zwergwale: Japan will einen Antrag auf das Herabstufen von Anhang I auf Anhang II stellen. Den Antrag unterstützen wahrscheinlich Norwegen, Kanada und die südafrikanischen Staaten.

– Afrikanische Elefanten: Die südafrikanischen Staaten wollen erneut ein "Downlisting" von I auf Anhang II erreichen, um ihre Elfenbeinvorräte sowie Fleisch und Häute der Elefanten verkaufen zu können. Unterstützt wird der Antrag wohl von Japan und Kanada. Und für die zwölftägige Konferenz werden hitzige Debatten erwartet. Denn es geht nicht nur um Elefanten und Nashörner, Störe und Zwergwale, sondern um handfeste wirtschaftliche Interessen. Die Artenschutzfrage kann da schon mal ins Hintertreffen geraten…

– Papageien: Einige Arten, zum Beispiel Amazonen aus Mexiko, sollen nach einem Antrag Deutschlands unter stärkeren Schutz gestellt werden.

Dr. Sandra Altherr ist Diplom-Biologin und beim Deutschen Tierhilfswerk e.V. (DTHW, Waldmeisterstraße 95 b, 80935 München) zuständig für Presse und Dokumentation. Sie ist regelmäßige Autorin der ETHW-Zeitschrift Mensch & Tier (Stiftung Europäisches Tierhilfswerk, Sonnenbergstr. 34, CH-6052 Hergiswil).


 
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