© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/97  23. Mai 1997

 
 
Südafrika: Apartheidsaktivist wird der Veruntreuung beschuldigt
Ein BMW für Boesak
von Dorothea Scarborough

Am 4. August 1997 beginnt in Kapstadt ein Prozeß, der schon jetzt in Südafrika, aber vor allem auch in Europa für Aufsehen sorgt. Es handelt sich um ein Gerichtsverfahren gegen einen der prominentesten südafrikanischen Kirchenführer und Anti-Apartheids-Aktivisten: Allan Boesak. Er wird angeklagt wegen Spendenbetrugs in Millionenhöhe (JF 14/97 berichtete).

Allan Boesak (50) hatte schon als Kind Begabung gezeigt und wurde als Farbiger von der weißen niederdeutschen Reformierten Kirche gefördert, bis er schließlich in Holland seine Studien mit dem Doktortitel abschloß. Dort hatte er die Befreiungstheologie kennengelernt, die ihn schnell begeisterte und stiftete nach seiner Rückkehr in Südafrika eine Reihe von kirchlichen Anti-Apartheid-Verbänden. Als Pastor in Kapstadt und als Vizepräsident des Südafrikanischen Kirchenrates machte er sich in den Augen der weltweiten Anti-Apartheidsgruppen so verdient, daß er 1982 in Ottawa zum Präsidenten des Reformierten Weltbundes gewählt wurde. Gleichzeitig wurden die weißen niederdeutsch-reformierten Kirchen vom Weltbund suspendiert.

1983 stiftete Boesak dann die United Democratic Front, den internen Flügel des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC). 1985 förderte er die Schulboykotte der schwarzen Kinder. Tausende standen vor abgebrannten Klassenzimmern und blieben ohne Bildung, während seine eigenen Kinder auf Privatschulen gingen. Boesak bekam Geld aus aller Welt, aber es dauerte nicht lange, da fragten die Dänen an, was mit den 82.000 Dollar geschehen sei, die sie für die Elendssiedlung Crossroads gestiftet hätten. Die Antwort darauf war denkbar einfach: Boesak hatte sich damit einen neuen BMW und Aktien in einer Garage gekauft. Als der ANC 1994 an die Macht kam, machte er Allan Boesak zu seinem Chef im westlichen Kapland, aber viele Farbige, die ihm, als er noch im Namen Gottes und der Kirche sprach, treu zur Seite gestanden hatten, wandten sich von ihm ab.

Da ernannte ihn der ANC 1995 zum Botschafter bei den Vereinten Nationen in Genf. Kurz vor seiner Abreise meldete sich die Organisation "DanChurchAid" und stellte Fragen über Gelder, die diese für von Boesak gestiftete "Foundation for Peace and Justice" (Stiftung für Frieden und Gerechtigkeit) gespendet hatte. Mit seiner zweiten Frau Elna und ihrem Töchterchen flog er deshalb statt nach Genf für zwei Jahre nach Kalifornien, wo er als Dozent der Theologie wirkte.

Anfang 1997 kamen die Boesaks zurück nach Südafrika. Inzwischen hatte das "Amt für ernste wirtschaftliche Vergehen" einen Bericht über seine Spendenwirtschaft herausgebracht und Frank Kahn, der Generalstaatsanwalt des Kaplandes, hatte eine 58seitige Anklageschrift aufgestellt. Boesak behauptete, eine Anklage gegen ihn wäre eine Anklage gegen den ganzen Befreiungskampf, und Justizminister Dullah Omar erklärte sich solidarisch mit ihm. Das hielt jedoch die Presse nicht davon ab, Einzelheiten bekannt zu machen: Zwölf Klagepunkte beziehen sich auf Veruntreuung und zwanzig auf Diebstahl. Die Liste der Zeugen steht inzwischen bei 167 Personen. So behauptet die Staatsanwaltschaft unter anderem, daß Boesak und sein Buchhalter Freddie Steenkamp von Dezember 1991 bis April 1992 die Coca-Cola-Stiftung der USA um 50.000 Dollar betrogen hätten, indem sie das Geld dem von der Stiftung genannten Zweck entfremdeten, um die Schulden der "Foundation for Peace and Justice" zu tilgen. Die Liste der Veruntreuungen und Unterschlagungen, die Boesak und seinem Buchhalter vorgeworfen werden ist lang: eine Summe von umgerechnet etwa 90.000 DM, die der Schlagersänger Paul Simon für notleidende Kinder gestiftet hatte, 161.000 DM von der Organisation "DanChurchAid" und 266.000 DM von der schwedischen "International Development Agency". Weitere 290.000 DM seien der Kirche Norwegens und der DanChurchAid gestohlen worden, die für besondere Zwecke bestimmt waren. Von August 1988 bis August 1994, so die Staatsanwaltschaft, hätten sowohl Boesak als auch Steenkamp mehrfach unerlaubt von der "Foundation for Peace and Justice" Geld für den eigenen Gebrauch erhalten. Boesak habe auf diese Weise 390.000 DM und Steenkamp 440.000 DM entwendet.

Als Allan Boesak noch ein von aller Welt gefeierter kirchlicher Würdenträger war, verkündete er auf dem Frankfurter Kirchentag 1987: "Das neue Jerusalem wird sich aus der Asche all dessen erheben, was heute Pretoria heißt." – Er hat wohl nicht damit gerechnet, daß auch im "Neuen Jerusalem", dem neuen Südafrika, die Zehn Gebote Gottes noch immer gelten.


 
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