© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    22/97  23. Mai 1997

 
 
PC-Kalender
Kolumne
von Lothar Höbelt

Die EU hat das Jahr 1997 zum Jahr gegen Rassismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit erklärt. Wenn es nicht müßig wäre, gutgemeinte Äußerungen politischer Würdenträger auf ihren logischen Gehalt abzuklopfen, wäre die Frage schon interessant, ob es sich bei dieser Aufzählung nun um eine aufsteigende oder absteigende Reihenfolge handelt. Das ist nicht ganz unwesentlich: Denn wie hat man sich nun z. B. gegenüber fremden Antisemiten zu verhalten? Was geht da vor? Oder aber: Wer ist jetzt eigentlich Fremder? Die Europäer untereinander? Die Nicht-Europäer? Vielleicht ist es auch rassistisch, die also schutzbefohlenen Fremden überhaupt definieren zu wollen? Fragen über Fragen. Andererseits bietet das Erstellen eines solchen Betroffenheitskalenders natürlich viele Möglichkeiten: Vielleicht wird 1998 dann zum Jahr gegen Antiklerikalismus? Irgendwann im nächsten Jahrhundert kann dann jeder einmal drangewesen sein.

Man soll also auf keinen Fall Anti- sein (zweifelsohne mit gewissen selektiven Ausnahmen, die mir jetzt aber nicht einfallen wollen). Wer nirgendwo anti- ist, ist in der Praxis freilich auch nicht pro. Politik besteht nun einmal in der Unterscheidung von Freund und Feind. Daraus ergeben sich dann auch Parteien – Parteien, die ihrem Zweck nach am Rande des Volksverhetzungsparagraphen balancieren, wie er im alten Österreich klassisch formuliert war: " …wer die Einwohner des Staates zu feindseligen Parteiungen gegeneinander auffordert." Das war natürlich auch der alte Obrigkeitsstaat.

Dieser Staat als solcher soll natürlich möglichst neutral sein. Er hat alle seine Bürger gleichermaßen zu mögen. Für den einzelnen Bürger ist es schon schwerer einzusehen, warum er in seinen Sympathien so ausgewogen sein muß. Das Bestreben, von einfach allen geliebt zu werden, verrät ein schon wiederum gefährliches Harmoniebedürfnis. Man kann mich schwerlich mit Erfolg zwingen, jemand anders zu mögen; allenfalls noch so zu tun als ob. Freilich, und das ist das wesentliche. Auch wenn ich ihn nicht mag, habe ich seine Rechte zu respektieren.

Nichts gegen alle Anti-Aktivisten – sollen sie doch agitieren, wenn ihnen nichts Besseres einfällt (wenn auch, bitte nicht mit Steuergeldern). Aber alles für den Rechtsstaat – und der schließt die Meinungsfreiheit nun einmal ein. Vielleicht hat man das auch gemeint. Dann hätte man es auch sagen sollen. Oder aber man dachte sich in Brüssel: Wenn wir den Herren mit den dicken Zigarren schon den freien Kapitalverkehr bescheren, schenken wir den Alt-68ern das Jahr gegen den Rassismus.


 
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