© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/97  30. Mai 1997

 
 
Maastricht-Irrtümer: Wachsende EU-Bürokratie
Macht der Eurokraten
von Thomas Laake

Ein Hauptargument für die Schaffung des europäischen Binnenmarktes war die Forderung nach weniger Bürokratie in Europa. Die Regierungen priesen den Euromarkt als einen Durchbruch von Freiheit für Waren, Dienstleistungen, Zinssätze und für die Freizügigkeit von Personen. Und so glaubten die meisten Unternehmen denn auch, daß ihnen der gemeinsame Markt eine umfassende Entbürokratisierung bescheren würde. Zwischenzeitlich wurden sie jedoch eines Besseren belehrt. Denn anstatt Vorschriften abzubauen, sehen die Brüsseler Eurokraten ihre Aufgabe offensichtlich darin, eifrig Harmonisierungsbestimmungen neu zu entwerfen oder die unterschiedlichen gesetzlichen Vorschriften auf eine gemeinsame Bestimmung zu harmonisieren.

Die Bürokratie läuft in Europa auf vollen Touren und droht immer neue Regelungen an, bis hin zu Vorschriften für den Krümmungsgrad von Salatgurken und ähnlichem Unsinn. Brüssel versucht immer stärker zu einer Art "Überverwaltung" zu werden. Die hohe Behörde in Brüssel mit ihren 10.000 Eurokraten zieht immer mehr Zuständigkeiten an sich. Dadurch entsteht eine immer größere Gefahr von Verwaltungszentralismus und Verwaltungsdirigismus.

Der umgekehrte Weg wäre ein Wettbewerb der Verwaltungssysteme in dem Sinne, daß sich die verschiedenen Verwaltungssysteme innerhalb Europas um die wirtschaftlichen Vorteile mühen müßten. Wo also in einer Region oder in einem Staat zuviel Verwaltung betrieben wird, werden sich Unternehmen nicht mehr ansiedeln und vorhandene abwandern. Ein Wettbewerb der Verwaltungen wäre in diesem Sinne Verminderung der Verwaltungen durch Wettbewerb.

Des weiteren versucht Brüssel, die Normen in Europa auf Einheitsnormen zu harmonisieren. Dafür hat man eine Fülle von Kommissionen damit beschäftigt, die richtigen Einheitsnormen aus den nationalen Normen zu entwickeln, die dann allseits vorgeschrieben werden.

Der umgekehrte Weg wäre ein Wettbewerb der Normen in Europa. Die praktischen Normen würden sich dabei durchsetzen, die unpraktischen automatisch wettbewerbsunfähig und damit bedeutungslos werden.

Auch bemüht sich ein Heer von Pädagogen zusammen mit der EU, gemeinsame Ausbildungsvorschriften für die Ausbildung unserer Jugend in Europa zu entwerfen. Nach ihren Vorstellungen soll in Griechenland, Spanien, Großbritannien oder in Deutschland jeder nach den gleichen Ausbildungsvorschriften ausgebildet werden.

Der marktwirtschaftliche Weg dagegen wäre, im Wettbewerb in Europa sich die beste Ausbildung durchsetzen zu lassen. Die Qualität der schulischen Ausbildung ist in den europäischen Ländern sehr unterschiedlich. Treten diese Ausbildungssysteme untereinander in den Wettbewerb, werden die Schüler und Hochschüler in die besseren Ausbildungsländer drängen. Es entsteht dadurch ein gewisser Druck innerhalb Europas, das Ausbildungsniveau insgesamt zu erhöhen. Der Wettbewerb würde dabei sogar das beste System durchsetzen, der Dirigismus dagegen nur ein Standardsystem.

Natürlich profitieren auch wir Deutschen vom gemeinsamen Markt, doch sicher nicht an erster Stelle. Denn andere EU-Partner, wie beispielsweise die Benelux-Staaten, exportieren erheblich mehr Waren in die EU als wir. Deutschland war bereits vor der Schaffung des europäischen Binnenmarktes ein starker Exporteur und wurde sogar "Exportweltmeister" – freilich ohne den Binnenmarkt.


 
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