© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/97  30. Mai 1997

 
 
Deutscher Presserat: "Westfalen-Blatt" fängt sich PC-Rüge ein
Verstoß gegen korrekte Sprache
von Michael Oelmann

Der Herausgeber des Westfalen-Blatts, Carl Wilhelm Busse, läßt es sich nicht nehmen, auch selbst zur Feder zu greifen. So bei seinem Leitartikel vom 9. Oktober vorigen Jahres. Unter der Überschrift "Nicht härtere Strafen – bessere Gesetze" bricht er angesichts des damaligen medialen Dauerbrenners eine Lanze für eine rigorosere Inhaftierung und Sicherheitsverwahrung von Sexualstraftätern. In dem Text widerfährt Busse jedoch ein Affront gegen die politische Korrektheit hierzulande, der Folgen haben sollte. Am Ende steht eine Rüge des Deutschen Presserates, die das in Bielefeld erscheinende Westfalen-Blatt (Auflage: 150.000) nicht auf sich sitzen lassen will.

Stein des Anstoßes ist folgende Passage: "Darin tritt eine interessante Veränderung zutage, die unsere Wohlstandswelt von der Vorkriegszeit unterscheidet: Messerstecher, Vergewaltiger, Kinderschänder und Mörder gab es damals noch nicht im Umfang wie heute, diese Delikte werden also der Höhe nach an andere Strafen herangeführt. Hier tritt eine Folge der Überschwemmung unseres Landes mit Ausländern zutage. Denn der Gebrauch des Messers scheint heute bei uns üblich geworden zu sein." Es kam, wie es kommen mußte. Am 6. Mai dieses Jahres befaßte sich der Beschwerdeausschuß des Presserates in Bonn mit dem vermeintlichen Vorfall und stellte fest, daß es sich hierbei um eine "falsche Tatsachenbehauptung, die nicht durch Fakten untermauert werden kann" handelt. Die Aussage stelle "eine Diskriminierung von Ausländern im Sinne Ziffer 12 des Pressekodex dar". Die PC-Maschinerie war in Bewegung geraten. Das Westfalen-Blatt, bereits 1993 wegen eines ähnlich gelagerten Falles aus dem Presserat ausgetreten (Busse: "Der Pressekodex reicht nicht mehr aus, die tatsächlichen Verhältnisse in Deutschland der Bevölkerung klarzumachen"), hätte die Angelegenheit mit dieser Rüge, die keine weiteren Konsequenzen nach sich zieht, stillschweigend bewenden lassen. "Aber wir gehören nicht zu jenen, die solche Dinge unter den Tisch kehren", so Chefredakteur Rolf Dressler gegenüber der JUNGEN FREIHEIT. Mit einer doppelseitigen Entgegnung – Titel: "Die Fakten sprechen für sich" – reichte das Westfalen-Blatt am 14. Mai dem Presserat und seinen Lesern ausführlich den Zusammenhang zwischen Ausländeranteil und Kriminalitätsrate nach – ein "Tabu" mithin, "bei dem jeder, der sich darüber kritisch verbreitet, Gefahr läuft, sofort als ausländerfeindlich bezeichnet zu werden", so Busse. Weidlich zitiert die Zeitung Auszüge aus den Kriminalitätsstatistiken der Länder, bezieht sich auf Kriminalitätsexperten und Leitartikel aus der FAZ und Welt am Sonntag und kommt zu dem Schluß: "Die Zahlen sind eindeutig."

So eindeutig die Zahlen, so eindeutig die Spielregeln des politisch-korrekten Sprachgebrauchs, die das Westfalen-Blatt verletzt hatte. So heißt es in den amtlichen Kriminalitätsstatistiken – sofern überhaupt die Ausländerkriminalität eruiert wird – meist "Anteil nicht deutscher Tatverdächtiger". Noch weiter geht ein Handbuch des Westdeutschen Rundfunks, in dem für alle Mitarbeiter Sprachregelungen aufgestellt werden, die z. B. die Verwendung von Begriffen wie "Asylantenflut" und "Ausländerwelle" oder von Einwanderungsgrafiken gänzlich untersagen.

Der JUNGEN FREIHEIT berichtet Chefredakteur Dressler aber auch von "der Vielzahl von Leserbriefen", die das Westfalen-Blatt in dieser Angelegenheit erreichten und die eindeutig zeigen würden, wie weit die Denkverbote der Lichterketten-Moralisten von den Nöten der Bevölkerung abweichen. Überhaupt ist es nicht immer die manchmal gutmeinende Naivität von Tugendwächtern, die PC-Szenarien wie diese hervorrufen: Die Beschwerde beim Presserat gegen das Westfalen-Blatt wurde von einem Redakteur der regionalen Konkurrenz-Zeitung eingereicht, deren ehemaliger Chefredakteur heute Vorsitzender des Presserates ist.


 
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