© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/97  30. Mai 1997

 
 
Kulturkampf und Mammon
Kommentar
von Lothar Höbelt

Die US-Geschichte, so lehren Autoren von Joachim Fernau bis Golo Mann, bestehe im wesentlichen doch nur aus Wirtschaftspolitik: Banken, Landverkäufe etc. (allenfalls die Sklaverei, die eigentümliche Institution, gibt da noch etwas für Ideologen her.) Doch ach es kann der schönste nicht in Frieden seinen Vorurteilen fröhnen, ohne daß die Wissenschaft keck wider den Stachel löckt. Während nämlich die Eliten um derlei materielle Güter rangen, motivierten die Wähler hauptsächlich zwei Faktoren: Ethnie und Religion. Kulturkämpfe prägten das Bild auch dort. Und in Europa natürlich sowieso.

Und wie gingen diese Kulturkämpfe aus: Bismarck erklärte die Ultramontanen zu Reichsfeinden – da war das katholische Zentrum eine Mittelpartei; als er ihn wieder abblies, war es stärkste Fraktion und ohne Zentrum gab es keine Mehrheiten mehr. Oder in den USA: In den zwanziger Jahren machte man den sauflustigen Deutschen und Iren einen dicken Strich durch die Rechnung mit der Prohibition. Resultat: Die Gewinnspannen stiegen, die Kennedys wurden reich – und nicht nur sie. Fazit: Kulturkämpfe sind für den Wähler unterhaltsam. Während die Nationalökonomie als trübsinnige Wissenschaft gilt, läßt sich über Gott und die Welt gut streiten. Zur Mobilisierung ist das eine großartige Strategie; für die Umsetzung ein Rezept fürs Desaster. Durch noch so eifriges Wackeln mit dem erhobenen Zeigefinger läßt sich das Publikum bestenfalls zu Lippenbekenntnissen verleiten, und manchmal nicht einmal das. Durch ihre antiklerikale Gesetzgebung machten die Liberalen aus Bischöfen Märtyrer der Meinungsfreiheit. Die Lektion ist zu bedenken.

Medienleute – selbst und gerade linker Observanz – ziehen Gramsci vor, und nicht Marx. Wer hat schon wirklich das "Kapital" gelesen oder, schlimmer noch, wer hat schon welches? Die geistige Führung aber traut man sich nach ein paar Viertel schon zu. Auch Konservative affektieren gerne die Verachtung des schnöden Mammon und weihen sich dem Ringen um höhere Werte. Sie kämpfen ums Burgtheater und lassen die CA sausen.

Nichts gegen die eleganten Italiener, ihren Gramsci und seine Fans auf der Rechten. Aber da bin ich im Zweifelsfall doch lieber für den deutschen Korpsstudenten Marx. Ganz ohne materielle Basis ist auch das Abendland nicht zu retten.


 
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