© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/97  30. Mai 1997

 
 
Porträt: Baldur Springmann
Bauer mit Leib und Seele
von Ingrid Mousek

"Anders leben" – was die ökologische Bewegung der 70er und 80er Jahre postulierte, hat Baldur Springmann zeit seines Lebens praktiziert. Bereits für den 15jährigen war klar, daß er nicht die Schraubenfabrik des Großvaters im westfälischen Hagen übernehmen wollte, "daß ich in dieser Art von Industrie, von der ich Todeskälte ausgehen spürte, nicht würde leben und arbeiten können". Ganz nahe "am Puls des Lebens" wollte er sein, und ein "Bauer mit Leib und Seele", so auch der Titel seiner zweibändigen Autobiographie.

Sein Erbteil investiert Springmann in einen verfallenen Hof in Mecklenburg, doch nach dem Krieg muß er als mittelloser Flüchtling mit seiner Familie im holsteinischen Geschendorf nochmal ganz von vorne beginnen. Zunehmendes Unbehagen über den steigenden Einsatz von Agrarchemikalien veranlaßt Springmann bereits 1954, auf biologisch-dynamische Wirtschaftsweise umzustellen. "Aus einem ökologischen Ansatz ergibt sich folgerichtig ein radikal sozialer", sagt sich "Bio-Baldur" und wandelt 1972 seinen Hof Springe um in eine Erzeuger-Verbraucher-Genossenschaft, bei der die Verbraucher als Miteigentümer die Preise so festlegen, daß der Hof überleben kann. Über einen Trägerverein für Zivildienst im Ökolandbau können bald danach sogar Ersatzdienstleistende auf dem Hof mitarbeiten und so den "neuen Frieden mit der Natur" praktizieren.

Daß Springmann auch in Frieden mit dem eigenen Volk lebt, dafür hat man bei den Grünen weit weniger Verständnis: weder dafür, daß der ehemalige Batteriechef und Kapitänleutnant es nicht nötig hat, sich im nachhinein zum Widerstandskämpfer hochzustilisieren noch mag man seine "Deutschtümelei" dulden, seine Liebe zur Heimat und zum "Vater- und Mutterland" – für Springmann untrennbar verbunden mit einer Kultur des Dialogs nach innen wie nach außen. Nachdem K-Gruppen zunehmend Schlüsselpositionen besetzen können, verläßt der Mitbegründer der Grünen im Juni 1980 die Partei und leitet die Gründung der ÖDP in die Wege – zieht sich dann aber aus der Parteiarbeit zurück. Vor allem neue spirituelle Erfahrungen und menschliche Begegnungen prägen die Jahre nach dem Tod von Springmanns Ehefrau Ille im Jahr 1981. Wenn es jedoch etwa darum geht, zusammen mit den Unabhängigen Ökologen an der Stunk-Parade gegen die Castor-Transporte teilzunehmen, dann ist der quicklebendige "Öko-Opa" auch heute noch ganz selbstverständlich mit dabei.

Die grüne Bewegung, die mit viel Enthusiasmus die Überwindung des modernen Industriekapitalismus anstrebte, ist in den ausgefahrenen Bahnen der Bonner Parteienlandschaft erstarrt. Baldur Springmanns ökologische, soziale, volkliche Alternative aber bleibt Provokation, bleibt Anfrage an jeden einzelnen. Am 31. Mai feiert Baldur Springmann seinen 85. Geburtstag.


 
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