© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    23/97  30. Mai 1997

 
 
FDP-Parteitag: Heiner Kappel und Jürgen Möllemann scheitern
Big Mäc und Beisitzer
von Hans-Peter Rissmann

Mit kernigen Worten zum Thema Wirtschaft und Steuern hat FDP-Parteichef Gerhardt auf dem Bundesparteitag am vergangenen Wochenende den Versuch unternommen, den Politikstandort Deutschland für die Liberalen zu sichern. Angereichert ist das Ganze mit einer Prise besonders betonter Ausländerfreundlichkeit, und auch beim Thema Staatsbürgerschaft legt sich Gerhard mächtig ins Zeug. Sinn der Übung: Die Lenkung des Abstimmungsverhaltens des linksorientierten Freiburger Kreises, der am Ende trotz aller Reden kaltgestellt wird. Ideal für Gerhardt ist die Gegenkandidatur des rechten Flügelmannes Heiner Kappel um die Position des Parteivorsitzenden. Mit der Kappelschen Steilvorlage gelingt es ihm, die Partei hinter sich zu scharen und die Koalition der guten Menschen zu erneuern. Im Sternzeichen Konsens erfolgen die Wahlen zum Präsidium. Die Stellvertreter Cornelia Schmalz-Jacobsen, Rainer Brüderle und Cornelia Pieper, Generalsekretär Westerwelle und Walter Döring aus Baden Württemberg werden anstandslos gewählt. Dann wird es spannend. Die beiden Genscherprotegés Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und Jürgen Möllemann gehen an den Start. Ignatz Bubis schlägt die Ex-Justizministerin vor; brav erzählt sie den Delegierten, wie wichtig wirtschaftliche Themen sind. Auch ihre farblosen Gegenkandidaten machen es ihr leicht. Dennoch muß sie in den zweiten Wahlgang, bevor sie durchkommt.

Schließlich soll der letzte Platz im Präsidium vergeben werden. Gedankenschwer bewegt sich Hans-Dietrich Genscher in Richtung Mikrophon. Dann ist er heraus, der Name Möllemann, den viele fürchten. Genscher, Altmeister der politischen Wende und der Reisediplomatie, will die FDP wieder wechselfähig machen, für alle Fälle vor allem mit Blick auf das Jahr 1998. Ihn treibt die Sorge, daß allein die Themen Wirtschaft und Steuern die FDP vielleicht doch nicht über Fünf-Prozent-Hürde tragen könnten. Das sagen jedenfalls einige hinter vorgehaltener Hand.

Möllemanns Gegenkandidat Hirche ("Ausstrahlung eines Knäckebrotes", so ein Delegierter) kann Beachtliches vorweisen. Unter seiner maßgeblichen Mitwirkung blieb die FDP in Niedersachsen und Brandenburg unter fünf Prozent. Seine Rede ist etwas langweilig; kein Vergleich zum mitreißenden Möllemann. Aber die Delegierten wollen ihn nun mal nicht.

Am Sonntag rächt er sich dafür. Wolfgang Kubicki aus Schleswig-Holstein hat einen Antrag gestellt, die Partei verbindlich darauf festzulegen, keine Steuererhöhungen zuzulassen – jedenfalls nicht zum Stopfen der Haushaltslöcher. Möllemann begründet am Rednerpult. Aufregung und Mißvergnügen sind zu beobachten und dann wird sein Antrag abgelehnt.

Nach Möllemanns Niederlage ist die Luft raus. Die McDonalds-Mitarbeiter, die dem Parteivolk gratis US-amerikanische Eßkultur näherbringen, haben Hochkonjunktur. Auch Heiner Kappel nimmt eine Stärkung zu sich. Die hat er auch nötig, nachdem Parteichef Gerhard nur gequält Shakehands mit ihm machen wollte. Bei der sogenannten Kurfürstenliste (jeder Landesverband schlägt einen oder auch mehrere Kandidaten vor) wollen nur noch 577 Delegierte mitwählen. Der linke Flügelmann und Möllemann-Intimus Wolfgang Kubicki wird mit dem schlechtesten Ergebnis abgestraft, kommt aber doch noch durch.

Dann werden die Delegierten wieder munter. Auf der sogenannten freien Wildbahn werden die letzten 16 Beisitzer gewählt. 30 Bewerber halten sich für berufen und gehen an den Start. Die Bundesminister Kinkel, Rexrodt und Schmidt-Jorzig sind nicht dabei. Ignatz Bubis gehört zu den vier Glücklichen, die es auf Anhieb schaffen. Neue Visitenkarten braucht er aber nicht, weil er auch schon vorher dabei war. Alle anderen müssen in den 2. Wahlgang. Dort reicht die relative Mehrheit. Zwei Kandidaten wollen nicht mehr. Darunter befindet sich der frühere Landeschef von Nordrhein-Westfalen, Joachim-Schultz-Tornau. Die Stimmen werden ausgezählt. Unbarmherzig befördern die Delegierten 12 Kandidaten in das schwarze Loch der Unwichtigkeit. Die anderen strahlen. Mit dabei: Burkhard Hirsch von den Freiburgern, die Bundestagsabgeordnete Giesela Babel und Staatsminister Werner Hoyer. Weg vom Fenster sind Konstantin Papageorgion und Mehmet Daimaguler. Ist die FDP ausländerfeindlich?

Abends findet der obligatorische gesellige Abend statt. Bei Wein, Bier und am Büffet langen alle tüchtig zu. Die einen feiern ihren Sieg, die anderen ertränken ihren Kummer, wieder andere erklären, warum alles so gekommen ist. Am Sonntag können einige nur aus verquollenen Augen Möllemann zu seiner späten Rache in Sachen Steuererhöhung zum Rednerpult schreiten sehen; es geht noch mal hoch her. Irgendwann ist die Partie vorüber. Demnächst hat wieder der Wähler das Wort.


 
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