© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/97  05. Juni 1997

 
 
Bundesbank-Entmachtung: Angriff der Regierung auf die Verfassung
Der Waigel-Putsch
von Bernd-Thomas Ramb

Der "Marsch auf die Feldherrnhalle" findet 1997 mittels Hubschrauber statt. Zielpunkt ist kein bajuwarisch-martialischer Gedenkort, sondern ein Monument nachkriegsdeutscher Solidität und internationalen Respekts: die Deutsche Bundesbank. Und der beim Entmachtungsversuch der D-Mark-Hüter an vorderster Front Marschierende ist kein geringerer als der amtierende Finanzminister.
Die Widerstandslinie ist klar. Die Bundesbank widerspricht in ungewöhnlich deutlicher Form und entgegen dem von ihr sonst bevorzugten Stil diskreter Marktoperationen dem Vorhaben der Bundesregierung, durch eine Höherbewertung der Goldreserven die Grundlage für eine Haushaltssanierung trickreich zu bewerkstelligen.
Knallhart formulieren dagegen die Verteidiger der Deutschen Mark: "Bei einer Ausschüttung noch im Jahre 1997, dem Referenzjahr für die Auswahl der EWU-Teilnehmerländer, besteht die Gefahr der Einbuße an Vertrauen in die Stabilität der künftigen europäischen Währung. Bundesregierung und Bundesbank haben bisher stets betont, daß die Konvergenzkriterien des Maastricht-Vertrages glaubwürdig und dauerhaft erfüllt werden müssen. Eine formale Erfüllung der fiskalpolitischen Kriterien durch die Ausschüttung des Neubewertungsgewinns wird aus der Sicht der Bundesbank diesen Anforderungen nicht gerecht. Zu einer nachhaltigen Verbesserung der öffentlichen Finanzen kann die Ausschüttung nur einen begrenzten Beitrag leisten. Dagegen wären negative Rückwirkungen auf die Interpretation der Beitrittskriterien und die stabilitätspolitische Glaubwürdigkeit der Auswahl des Teilnehmerkreises im Mai 1998 kaum zu vermeiden."
Die Bundesregierung glaubt sich sowohl von den Abstimmungsmehrheiten in der Lage als auch von der Verfassung legitimiert, das Bundesbankgesetz handstreichartig ändern zu können. Beides wäre zu überprüfen. Zumindest verletzt sie ein ehernes, wenn auch ungeschriebenes Grundgesetz: Die Unabhängigkeit der Deutschen Bundesbank in den ihren Tätigkeitsbereich betreffenden Entscheidungen ist unantastbar. In den Worten der Bundesbank: "Eine Ausschüttung stiller Reserven wäre je nach Größenordnung geldpolitisch beherrschbar. Wird sie jedoch gesetzlich vorgeschrieben, bedeutet dies einen Eingriff in die Geldpolitik der Bundesbank. Eine solche Maßnahme stünde im Widerspruch sowohl zur deutschen Tradition als auch zu den Vorstellungen des Maastricht-Vertrages über die Unabhängigkeit der Notenbanken."
Der Verzweiflungsakt Waigels, kennzeichnet die panikartige Situation, in die sich die Regierungskoalition durch das bedingungslose Festhalten an dem Euro-Währungsabenteuer hineinmanövriert hat. Daß ein möglichst vollständiger Teilnehmerkreis, die Erfüllung der Konvergenzkriterien und die Einhaltung des Zeitpunktes 1. Januar 1999 nicht gleichzeitig zu erreichen sind, war nahezu seit Anbeginn des Maastricht-Planes absehbar. Allein das gebetsmühlenhafte Wiederholen des Glaubenssatzes, man werde das Trippel-Ziel doch noch erreichen, ohne alternative Notpläne bei Nichterfüllung einzelner Voraussetzungen zu entwerfen, tangiert schon die Grenzen der deutschen Verfassung. Der Gold-Putsch verletzt sie vollends.

 
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