© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/97  05. Juni 1997

 
 
Im Gespräch: "Landbund"-Geschäftsführer Dieter Tanneberger
"Das ist ein Ost-Ost-Konflikt"
Fragen: Dieter Stein

Dieter Tanneberger ist Hauptgeschäftsführer des 1991 aus Protest gegen die Politik des "Deutschen Bauernverbandes" gegründeten "Deutschen Landbundes". Als Dachorganisation der privaten Bauernverbände in den neuen Bundesländern hat der Landbund rund 12.000 kleinere Mitgliedsbetriebe, überwiegend sogenannte Wiedereinrichter, während die 3.600 Nachfolgegesellschaften der LPGs (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften) im Deutschen Baunernverband organisiert sind.

Die Frage der Enteignung wird sehr emotional diskutiert, weil – so argumentieren Steffen Heitmann, Berndt Seite, Christoph Bergner und andere – eine Rückgabe an die alten Eigentümer die innere Einheit und den sozialen Frieden gefährde. Ist das so?

TANNEBERGER: Diese Drohung von Volksaufständen hier scheitert schon an der Masse, denn es handelt sich ja nur um die 3.600 LPG-Geschäftsführer und deren Familienclans – es sind in der Regel zwei, drei Familien, die den Vorstand und Aufsichtsrat der juristischen Betriebe beherrschen. Die eigentlichen Betroffenen sind ja die Mitglieder, die jetzt noch in den Genossenschaften arbeiten: die Melker und die Traktoristen; die sind ja von der Geschäftsführung vollkommen entfernt; keine Gewerkschaft wird zugelassen in diesen neuen Unternehmen. Die haben viel weniger Rechte, als sie früher in den LPGs hatten. Die bangen um ihren Arbeitsplatz und arbeiten zu Sozialhilfesätzen, für acht Mark und darunter.

Handelt es sich nicht bei der Kernfrage um den Streit um die Enteignungen zwischen 1945 und 49?

TANNEBERGER: Das wird zu einem West/Ost-Konflikt hochstilisiert. Es ist aber ein Ost/Ost-Konflikt. Es ist ein Konflikt zwischen den privaten Landwirten, die flächenarm geblieben sind, und den Großkolchosen.

Landläufig sprich man ja in den Medien davon, die meisten, die hauptsächlich geschädigt wurden durch die Enteignungen 45/49, seien Junker gewesen, die in den Westen gegangen sind.

TANNEBERGER: Ja, natürlich die auch, weil die auch zumindest noch immer eine Lobby haben im Westen. Zahlenmäßig sind die in der Minderheit. Zahlenmäßig sind viel mehr Kleinbauern enteignet worden und im Osten geblieben als adlige Großgrundbesitzer, wenn die auch flächenmäßig nicht an die Junker- und Großgrundbesitzerflächen heranreichen.

Treten Sie denn dafür ein, daß alle Enteignungen komplett rückgängig gemacht werden sollten?

TANNEBERGER: Diese Forderung hätte 1990 bei der politischen Wende sicherlich duchgesetzt werden können, wenn man das in Bonn gewollt hätte. Wir alle haben geglaubt, daß die Enteigneten wiederkommen. Selbst die Neubauern, die ja gar keine Verfügung mehr über ihr Land hatten, denn das Neubauern-, das Siedlerland war ja alles ebefalls kollektiviert worden. Diese Bodenreformsiedler werden ja heute nicht von den alten Eigentümern angegriffen. Die Gefahr droht nicht von denen aus dem Westen, denn die haben ja mehrfach erklärt, daß sie keinem Siedler etwas wegnehmen wollen. Die Gefahr kommt aus den neuen Ländern selbst – mit der Begründung, es sei kein Volleigentum entstanden mit der Bodenreform, sondern nur Arbeitseigentum, und nur derjenige hätte ein Anspruch darauf, dieses Arbeitseigentum jetzt zu Volleigentum zu bekommen, der am 15. März 1990 Mitglied in einer LPG war.

Wie können Sie sich erklären, daß sich gerade die CDU so für die roten Barone stark macht?

TANNEBERGER: Das sind Altmitglieder der Blockparteien CDU und DBD. Da gibt es ja etliche, die da im Zweifelsfall immer für ihre ostdeutsche Struktur plädieren, weil sie meinen, sie hätten etwas zu verlieren, wenn sie ihre ostdeutschen Strukturen verlieren. Sie sehen nicht, daß sie auch etwas zu gewinnen haben, nämlich mehr private Bauern, mehr Familien, die auch in den Dörfen wieder soziale Sicherheit bringen. Heute veröden ja die Dörfer weitgehend. – Die CDU soll sich einmal um die roten Socken in ihrer eigenen Partei kümmern.

Wie müßte die Sache ihrer Meinung nach entschieden werden?

TANNEBERGER: Der, der Land gutwillig erworben hat, der soll es auch behalten, diese fünf oder acht Hektar. An erster Stelle würde ich die Schlösser und Burgen zurückgeben, weil die nur den Staatshaushalt belasten. Dann würde ich den Wald zurückgeben, weil den auch keiner haben will. Die BVVG findet keine Waltpächter und hat einen Haufen Kosten. Dann würde ich den Eigentümern eine Auflage machen, daß sie 20 Jahre lang ihr wiedergewonnenes Eigentum nicht spekulativ veräußern dürfen.


 
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