© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/97  05. Juni 1997

 
 
Debatte auch im Bundesland Kärnten: Ein Thema bewegt die Gemüter
Die Globalisierung als Falle
von Christian Pinter

Das Thema Globalisierung ist seit einiger Zeit in aller Munde. Auch wenn nicht alle etwas zum Thema sagen können, so fühlen sich doch viele berufen, das Problem der Globalisierung näher zu beleuchten. Da es meist beim Versuch bleibt, tappen immer mehr Politiker und andere Diskutanten in die "angeblich" durch die Globalisierung verursachte Globalisierungsfalle.
So war es auch letzte Woche, als an der Universität Klagenfurt die Studentenorganisation AIESEC unter dem Titel "Sein & Schein der Globalisierung" zum Palaver lud. An der perfekt organisierten Diskussion nahmen am Podium Persönlichkeiten unterschiedlicher Schattierungen teil, die aber zumeist ins gleiche Horn stießen.

Der Kärntner Landeshauptmann-Stellvertreter Karl-Heinz Grasser stimmte in den Chor der Altkeynesianer ein und machte in seinem Eröffnungswort den Monetarismus und den Neoliberalismus für alles verantwortlich. Seine persönliche Konstruktion des Problems wird folgendermaßen konkretisiert: "Europa fährt seit 68/69 auf Monetarismus ab. Im Gegensatz zu Amerika. Die haben es anders gemacht." Auf Grund seiner Jugend seien ihm mangelnde wirtschafts-historische Kenntnisse verziehen, obwohl es den objektiven Beobachter wundert, daß Grasser einmal Betriebswirtschaft studiert hat. Um seine "freiheitlich-bewegte" Position noch weiter hervorzukehren, sieht er "staatliche Eingriffe als Chance". (Die liberale Tradition scheint in der FPÖ mittlerweile "bewältigte" Geschichte zu sein.)

Der, laut Eigendefinition, "alte Sozi" Günther Nenning, gibt Grasser recht. Dem überraschten Raunen des Publikums hält er entgegen, daß es ihm um den Widerstand gehe, "woher er kommt ist egal." Nenning weiter zum Thema: "Es wird probiert, ob sich das Volk das gefallen läßt." Das Ganze ist demnach mehr ein Spiel, als zwingende Realität. Nenning erwartet sich zur Tendenz der Globalisierung eine Gegentendenz und spricht in diesem Zusammenhang von einem "Aufbruch der Moral". Der Kapitalismus sei flexibel genug, um aus dem "Brutalkapitalismus" von heute einen Sozialkapitalismus von morgen entstehen zu lassen (= Nahziel). Das Fernziel ist jedenfalls eine "christlich-soziale (!) Revolution".

Nach den revolutionären Visionen Nennings konnte der Experte der Arbeiterkammer Franz Sonnberger seine ökonomische Kompetenz unter Beweis stellen und beschrieb dem Publikum die "Gründung des Shareholder Values". Obwohl es dem "akademischen" Publikum nicht auffiel, so muß man doch entgegenhalten, daß der "Share-holder Value" nicht gegründet wurde, sondern in den USA schon ein altes wirtschaftliches Prinzip ist.
Die mangelnden ökonomischen Kenntnisse ihrer Vorredner sind auch der Grazer Universitätsprofessorin für "Internationales Marketing und Management", Ursula Schneider, nicht aufgefallen. Vielleicht liegt das aber daran, daß sie schon an so vielen Diskussionen zum Thema teilgenommen hat und nun weiß, daß kein Grund zur Panik besteht. Zuzustimmen ist ihr darin, daß man sich das Problem vorher anschauen müsse, doch sie blieb ihrem eigenen Prinzip nicht treu und gab in weiterer Folge "nur mehr" ein paar leere Phrasen von sich.

Günther Nenning wurde vom Publikum aufgefordert, den Begriff der "christlich-sozialen" Revolution näher zu beleuchten. Er verwies darauf, daß es im Laufe der Zeit "immer wieder große Umwälzungen" gegeben habe. "Wenn man Kraft braucht, dann ist sie da". Eben solche Kräfte seien, seiner Meinung nach, das Christentum und das "Soziale". Nach Nenning beginnt jede Revolution im Reiche des Geistes, im Reiche der Moral. Von blutigen Revolutionen halte er wenig.
Amüsant war neben einigen "witzigen Aussagen" des alten Sozis noch der Versuch Grassers, sich mit Nenning zu messen. Grasser sprach die vorgegebene Sitzordnung an und meinte, die Veranstalter wollten "eine Polarisierung zusammenkriegen", indem sie Nenning und ihn an die beiden Enden des Podiums plaziert haben. Daraufhin konterte Nenning in aller Höflichkeit und erklärte dem Herrn Landeshauptmann: "Das würde Ihnen nicht gelingen."
Interessant war die Aussage Nennings, daß unsere Chance nicht in der Globalisierung, sondern vielmehr in der Regionalisierung liege. Es fehle dafür aber die entsprechende "Propaganda". Im nächsten Schritt erklärte Nenning noch, die "blöde BWL ist das Letzte und Altmodischste an den Universitäten" und die heute ausgebildeten

BWLer seien nur mehr Kanonenfutter im globalen Kampf. Nach so vielen mutigen und interessanten Ausführungen mußte wohl auch der rote Altmeister einmal irren, indem er den "Begründer" der Nationalökonomie, Adam Smith, als "Moraltheologen" bezeichnete. Für alle, die den kleinen Fehler nicht erkennen: Adam Smith übernahm im April 1752 den Lehrstuhl für Moralphilosophie.

Die Diskussion hat zwar keine wirklichen Lösungsansätze zum "Problem" der Globalisierung gebracht, doch sie hat wieder einmal die "Mittelmäßigkeit" und phrasenhafte Rhetorik unserer Zeit(-Genossen) offenbart. Wie so oft, werden liberale Wirtschaftsansätze für die Fehler und Mängel sozialistischer Wirtschaft verantwortlich gemacht.

Im Grunde also nichts Neues, aber ist die Situation doch sehr bedenklich und weist (zu) viele Parallelen zu den Ereignissen der dreißiger Jahre auf. Die Globalisierung ist mit Sicherheit eine Falle. Vorerst "nur" für mittelmäßige Diskutanten, doch möglicherweise müssen auch die vielen Stummen aufpassen, daß sie in diesem Jahrhundert nicht noch einmal in die gleiche Falle tappen.


 
Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen