© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    24/97  05. Juni 1997

 
 
Korruption: Neue Aufgaben für Rechnungshöfe
Ein Faß ohne Boden
von Thomas Laake

Wann immer die öffentliche Hand Subventionen leistet, wird der menschliche Geist erfinderisch. Daraus folgt nicht zuletzt ein Problem, das zwischenzeitlich auch in deutschen Amtsstuben als solches erkannt worden ist – die Korruption.

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht von Betrug oder Korruption im öffentlichen Bereich gesprochen wird. Angesichts der sich in der jüngsten Vergangenheit häufenden Korruptionsaffären im öffentlichen Bereich wird nun vielerorts darüber diskutiert, wie man der wachsenden Zahl von Betrügereien begegnen kann. Neben Polizei und Justiz rücken in diesem Zusammenhang die Rechnungshöfe zunehmend in den Blickpunkt der Öffentlichkeit.
Einst ins Leben gerufen, um "Schlampereien" mit Steuergeldern aufzudecken, entwickeln sie sich nunmehr zu einer scharfen Waffe im Kampf gegen die Korruption. Mit Hilfe der Rechnungshöfe konnten in den letzten Jahren etliche Fälle von Korruption im öffentlichen Bereich aufgedeckt werden.

Doch nicht nur in Deutschland, sondern auch in der Europäischen Union kommen viele Unregelmäßigkeiten vor. Nach jüngsten Schätzungen sind mehr als zehn Prozent des EU-Haushaltes hiervon betroffen. Dabei denkt man in erster Linie an den Agrarbereich. Weniger bekannt ist, daß es bei den Strukturfördermitteln, die immerhin ein Drittel aller EU-Ausgaben ausmachen, nicht besser aussieht.

Um kriminelle Machenschaften nachhaltiger bekämpfen zu können, müssen die Rechnungshöfe zukünftig ihre Aufgabe darin sehen, Unregelmäßigkeiten jeder Art, also auch Betrugsfälle, aufzudecken, was von diesen bisweilen leider nicht immer so gesehen wird. Viele gehen nur zögerlich und machmal widerwillig auf die berechtigte Forderung nach Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten ein. Oft verharren sie noch allzusehr in den herkömmlichen Prüfungsmethoden und neigen mitunter dazu, sich hinter ihrer Unabhängigkeit zu verstecken.

Auch wenn es nicht darum gehen kann, die Rechnungshöfe mit Kompetenzen von Staatsanwaltschaft oder Polizei auszustatten, so haben diese doch in Form von qualifizierten Mitarbeitern und gesetzlich garantierten Prüfungsrechten genug Möglichkeiten, wirksame Prüfungen durchzuführen. Dazu müssen auch neue Prüfungsmethoden entwickelt werden. Angesichts neuer kriminellerer Formen ist zum Beispiel zu prüfen, ob Firmen, die Subventionen aus Gemeinschaftsmitteln erhalten, den Konkurs von vorn herein geplant haben, um nicht zurückzahlen zu müssen.

Ein weiterer Schwachpunkt ist die lange Prüfungszeit, die zwischen Prüfungsabsicht und der Vorlage des Prüfungsergebnisses liegt. So dauert es mitunter drei oder mehr Jahre, bis ein Fall abgeschlossen werden kann. Folge: Die Rechnungshöfe hinken aufgrund ihrer zu langwierigen Prüfungsprozeduren oftmals den Ereignissen hinterher. Schnelle und vor allem unvermutete Prüfungen könnten hier Abhilfe schaffen.

Überhaupt kann es, um Schaden abzuwenden, oft auch wichtig sein, daß Rechnungshöfe nicht erst dann prüfen, wenn Vorgänge abgeschlossen sind, sondern bereits tätig werden, wenn ausgabenwirksame Beschlüsse gefaßt werden, also noch bevor Subventionen fließen. Auch hat es keinen Sinn, wenn Prüfungen mehrere Wochen vorher angekündigt werden müssen. Jeder clevere Betrüger weiß die ihm so gegönnte Zeit sicherlich gut zu nutzen.

Die Rechnungshöfe könnten eine durchaus aktivere Rolle bei der Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität spielen, und sie müssen dies auch künftig tun. Entscheidend hierfür ist, daß die Politik dies von ihnen fordert und die Rechnungshöfe personell und konzeptionell so strukturiert sind, daß sie die neuen Aufgaben bewältigen können. Denn nur wenn es gelingt, ihre Tätigkeit neu zu definieren, dann gelingt es auch, Korruption und organisierte Kriminalität effektiver zu bekämpfen.


 
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