© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/97 05. Juni 1997 |
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Buße ein alter Hut? Die wohlfeile Klage der Kirchen über den Wertezerfall Zehn Gebote nicht mehr bindend von Hans Erben Das ehemalige "sozialistische Lager" ist zusammengebrochen. Vielfach ist dieser Zusammenbruch in jenen Ländern einhergegangen mit einer religiösen Neubesinnung breiter Bevölkerungsteile, wie dies insbesondere in Rußland sichtbar wird. Doch weder in Mittel- noch in Westdeutschland ist eine wirksame Bewältigung der roten Vergangenheit in Sicht. Es wird vielmehr in beklemmender Weise bewußt, daß der Zusammenbruch in Osteuropa jenen Zersetzungsprozeß christlicher Werte, der in den alten Bundesländern mit dem Siegeszug der "Frankfurter Schule" einen Höhepunkt erreicht hat, nicht gestoppt, sondern nur für kurze Zeit unterbrochen oder verzögert hat. Die Atempause wurde jedenfalls von den evangelischen Landeskirchen nicht für eine moralische Gegenoffensive genutzt. Warum ging diese Chance verloren? Offenbar war die "Kirche im Sozialismus" doch ungenügend auf Distanz zum roten Totalitarismus. Manches deutet darauf hin, daß sie noch immer mit "Trauerarbeit" beschäftigt ist. Auch die Abschaffung des Bußtags war wohl nur deshalb so widerstandslos möglich, weil in der herrschenden evangelischen Theologie selbst "Buße" längst zum Fremdwort geworden war. Allzu regelmäßig wurden die überfälligen Beichten durch vorgezogene Generalabsolutionen verhindert. Buße aber war und ist im christlichen Glauben das, was in der politischen Ethik "Vergangenheitsbewältigung" genannt wird. Wenn Kirchen mit Buße nicht mehr umzugehen wissen und deshalb auch nicht mehr vorangehen können, degeneriert das Bedürfnis der christlichen Buße zur staatlichen Vergangenheitsbewältigung. Buße ist aber in einem noch tiefgreifenderen Sinne ausgeblieben: Im Westen Deutschlands waren nicht nur die Schulen und Universitäten, sondern auch die evangelischen Kirchen Objekte der Unterwanderung der 68er. Der Neomarxismus der "Frankfurter Schule" drang tief in die theologische und religionspädagogische Ausbildung ein. Viele Pfarrer und Religionspädagogen kamen über die Religionskritik Feuerbachs, Marx und Freuds nicht hinaus. Dieser Neomarxismus hat bis heute tiefe Spurenhinterlassen, bis in die religions-Richtlinien auch CDU-regierter Bundesländer hinein. Auch die bibelwidrigen Religionslehrbücher jener Zeit werden bis heute benutzt. Durch
die Kombination mit Psychologie war diese Invasion vielleicht noch wirksamer als die
plumpe Indoktrination des mitteldeutschen Staatsbürgerkunde-Unterrichts. Ist auf diesem
für die Zukunft des christlichen Glaubens so wichtigen Felde kirchliche Buße zu
erwarten? In der Bibel gehören Lehre und Ethik zusammen. Wenn in der theologischen und
religionspädagogischen Ausbildung infolge des Vernunftprinzips die Gebote Gottes als
zeitbedingt relativiert werden, ist ihre Verbindlichkeit dahin. Wenn Pfarrer und
Religionslehrer, ja ganze Synoden, die Gebote Gottes nicht mehr für verbindlich halten,
haben diese ihre Verbindlichkeit auch im Volke eingebüßt. Ja, die Zehn Gebote sind
weithin schon in Vergessenheit geraten! Offenbar haben die Zersetzer christlicher Werte inzwischen wieder an Offensivkraft
gewonnen im Volk wie in den Kirchen. Egal, welche Zersetzungskampagne gerade
jeweils vorangetrieben wird die evangelischen Kirchen können kein Gebot, keinen
christlichen Wert mehr verteidigen, solange sie Theologien dulden, die selbst diesen
Zersetzungsprozeß vorantreiben. |