© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    25/97  13. Juni 1997

 
 
Das Rappeln im Koalitionskarton, Regierungsumzug und Erlebnisfernsehen
Kolumne "Aus der Bannmeile"
von Gerhard Imhoff

Es rappelt im Bonner Koalitionskarton, und zwar gewaltig. Nicht nur der Streit über Goldreserven, Euro und Steuern belastet das Regierungsbündnis, sondern die insgesamt vorhandene Perspektivlosigkeit in der Regierung Kohl. Nichts mehr zu spüren von geistig-moralischer Wende in Bonn. Daran, daß die gegenwärtige Bundesregierung die sich immer weiter verschärfenden Probleme wirklich lösen kann, glaubt wohl nur noch der Kanzler selbst. Nicht selten hört man auch von Koalitionsabgeordneten den Satz: Die Regierung ist am Ende. Der einst über allem schwebende Kanzler der Einheit setzt zur Landung an. Denn auch innerhalb der CDU/CSU-Bundestagsfraktion ist Kohl nicht mehr unumstritten. Insbesondere des Kanzlers verbissene Haltung in Sachen Euro läßt die Abgeordneten nicht unbedingt Freudengesänge anstimmen. „Der Bundeskanzler will die Währungsunion um jeden Preis, koste es, was es wolle", beschreibt ein Mitglied der Unionsfraktion Kohls Haltung in der Eurofrage. Wohin eine derartige Verbissenheit führen kann, haben die Wahlen in Frankreich gezeigt. Tschau Helmut!

Eine herbe Niederlage in ihrem unermüdlichen Kampf gegen Rassismus, Rechtsradikalismus, Ausländerfeindlichkeit, Faschismus, Neonazismus, Imperialismus und Kapitalismus mußten kürzlich die Genossinnen und Genossen der PDS-Bundestagsgruppe hinnehmen. Ulla Jelpke und ihre Kampfgefährten wollten mittels einer Anfrage (Drucksache 13/7049) von der Bundesregierung Aufschluß über „Prof. Hans-Helmuth Knütter und seine Kontakte zu rechtsextremen Kreisen". Doch: schade, schade, schade. Die Partei des demokratischen Sozialismusversuchs bekam von der Bundesregierung – statt böser Sachen – über Prof. Knütter u.a. folgendes zur Antwort (Drucksache 13/7380): „Prof. Dr. Knütter hat sich durch seine wissenschaftliche Qualifikation und seine Sachkenntnisse, insbesondere zum Antitotalitarismus, ausgewiesen." Kopf hoch Ulla! Es gibt ja noch andere „Rechte", über die ihr die Bundesregierung befragen könnt. Irgendwie werdet ihr das Geld der Steuerzahler schon verbrauchen. Und sei es durch ständige, sich immer wiederholende Anfragen an die Bundesregierung.

Und was gibt es Neues vom Umzug? Nicht viel, aber dafür Brisantes. Glaubt man in Bonn kursierenden Gerüchten, dann wird die Bundesregierung aufgrund der angespannten Haushaltslage und wegen Verzögerungen bei den Bauvorhaben im neuen Regierungsviertel auf keinen Fall vor dem Jahr 2000 nach Berlin umziehen – trotz allen Beteuerungen von Dienstwagen-Rita und ihrem Rat der Ältesten. Und wie es mit dem Umzug aussieht, wenn der Sozialdemokrat Schröder Bundeskanzler werden sollte, das wird sich noch zeigen. Denn dem Vernehmen nach hat es Gerhard S. mit dem Umzug nicht besonders eilig. Abwarten.

Erlebnisfernsehen total. Geht es nach dem Willen der Bundesregierung, sollen künftig zu Beginn der mündlichen Verhandlung in Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht sowie bei der Urteilsverkündung Fernseh-, Film- und Tonaufnahmen gemacht werden dürfen. Dies sieht ein entsprechender Regierungsentwurf (Drucksache 13/7673) vor. Das wird interessant!


 
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