© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/97  20. Juni 1997

 
 
Zeitschriftenkritik: "Der Stacheldraht"
Schatten des Stalinismus
von Hans B. von Sothen

In die Hunderttausende ging die Zahl der politischen Gefangenen der DDR und der Sowjetischen Besatzungszone SBZ. Und je genauer sich nun die Forschung damit befaßt, desto häufiger müssen diese Zahlen nach oben verändert werden. Bis heute ist noch nicht genau ermittelt, wieviel Zigtausende deutscher Häftlinge nach dem Krieg in den Lagern des sowjetischen Geheimdienstes NKWD in deutschen KZs oder im sowjetischen GULag ermordet wurden oder elend verhungern mußten. Noch immer werden neue, bisher unbekannte politische Todesurteile der DDR-Unrechtsjustiz bekannt.

In Westdeutschland schlossen sich nach dem Kriege Überlebende und Angehärige zur Vereinigung der Opfer des Stalinismus (VOS) zusammen. Nach der Wende entstanden auch überall in Mitteldeutschland Vereinigungen, die zunächst einmal herausfinden wollten, ob es noch überlebende Leidensgenossen aus der gemeinsamen Gefangenenzeit gab oder die auch nur ganz schlicht wissen wollten, wo Verwandte und Bekannte begraben worden waren.

Bald nach der Wende wurde der Bund der Stalinistisch Verfolgten (BSV) gegründet, der insgesamt fünf Landesverbände in den neuen Bundesländern hat und der vor allem die Interessen der stalinistisch Verfolgten vertritt, die in der DDR geblieben waren. Der BSV informiert, berät und betreut alle Bürger, die zwischen 1944 und 1989 unter stalinistischer Willkür litten. Dazu gehären Deportierte und Internierte - auch wenn sie ästlich der Oder verhaftet wurden, Menschen, die durch das Sowjetische Militärtribunal (SMT) verurteilt wurden, politische Häftlinge aus DDR-Gefängnissen, beruflich und verwaltungsrechtlich Geschädigte (1. und 2.SED-Unrechtsbereinigungsgesetz) und nicht zuletzt die Angehärigen der Opfer.

Im März 1991 erschien zunächst als Mitteilungsblatt des Landesverbandes Berlin-Brandenburg des BSV die Zeitschrift Der Stacheldraht. Später wurde die Union der Opferverbände der kommunistischen Gewaltherrschaft (UOKG) gegründet, die 18 Verbände umfaßt und die mittlerweile ebenfalls als Mitherausgeberin der Zeitschrift Der Stacheldraht zeichnet. Zu den Mitgliederverbänden gehären die unterschiedlichsten Organisationen. So etwa der Verband ehemaliger Rostocker Studenten (VERS). An der Uni Rostock hatte es in den 50er Jahren Massenverhaftungen von Studenten gegeben, die häufig in den sibirischen GULag nach Workuta verschleppt wurden. Hier hat sich die VERS um die wissenschaftliche Aufarbeitung der Vorkommnisse verdient gemacht.

Ein anderes Mitglied der UOKG ist die IG Ketschendorf, die Überlebende und Angehärige von Insassen dieses NKWD-Lagers verbindet. Der Stacheldraht (Auflage etwa 7.500 Exemplare) verbindet sie alle. Zeitzeugen- und Forschungsberichte, Veranstaltungen und Kritik an aktuellen politischen Entwicklungen: Wer über 45 Jahre Stalinismus in Deutschland informiert sein will, für den führt am Stacheldraht kein Weg vorbei.

Der Stacheldraht" Für Freiheit Recht und Demokratie. Bund der Stalinistisch Verfolgten Ruschestr. 59, Haus 1, 10365 Berlin. Erscheint sechsmal jährlich. Einzelnummer: DM 2,- Jahresabo: DM 12,-.


 
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