© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    26/97  20. Juni 1997

 
 
Karl Feldmeyer: Schwierige Heimkehr der Neusiedler auf altem Boden
Ländlicher Neubeginn in der Heimat

Der Teil Deutschlands, der bis 1990 DDR war, hat nach dem Kriege Bevälkerungsverschiebungen in besonderem Umfang erlebt. Ab 1945 kamen Flüchtlinge und Vertriebene aus dem deutschen Osten, die - wenn sie nicht wegen der politischen Verhältnisse bald weiter in den Westen zogen - auf Land angesiedelt wurden, das durch die sogenannte Bodenreform den Großbauern und Rittergutsbesitzern weggenommen wurde. Diese, deren Familien oft seit Jahrhunderten auf ihren Ländereien ansässig waren und Wirtschaft und Kultur geprägt hatten, wurden, oft nur mit dem, was sie am Leibe trugen, aus den Därfern gejagt.

Die Begünstigten dieser "Reform" hatten an ihrem neuen Besitz meist auch nicht lange Freude. Sie wurden keine zehn Jahre später selbst Opfer des kommunistischen Kollektivierungswahns und zu Landarbeitern der Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) degradiert. Die Folgen dieser gesellschaftlichen Umwälzungen kann man noch immer in den mitteldeutschen Därfern beobachten: Verfallene Bauten, Umweltschäden, verwilderte Parks und - besonders schlimm - der Verlust des bäuerlichen Selbstwertgefühls, das ja nicht nur auf den eigenen Nutzen bedacht war, sondern sich auch für Dorf und Landschaft verantwortlich fühlte.

Man schätzt, daß von den 1945/46 zu Tausenden enteigneten und vertriebenen Gutsbesitzern nur etwa 200 nach der Wende 1990 Mut, Kraft und nicht zuletzt auch Geld aufgebracht haben, um dort wieder anzufangen, wo sie oder ihre Vorfahren vor 45 Jahren aufhären mußten. Karl Feldmeyer, politischer Korrespondent der FAZ in Bonn, stellt in seinem Buch zwälf von ihnen vor. Mit einer Ausnahme hat keine dieser Adelsfamilien den verlorenen Besitz zurückerstattet bekommen. Dies hat die im Einigungsvertrag zwischen der letzten DDR-Regierung und der Bundesregierung in Bonn getroffene Abrede ebenso wie die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verhindert. Die Ausnahme bildet die Familie von Hardenberg, die das "Glück" hatte, daß ihre Güter im ästlichen Brandenburg als Folge des Widerstands gegen Hitler schon 1944 enteignet wurden, was jetzt einen Restitutions-Anspruch ausläste. Alle anderen haben Teile ihres Familienbesitzes, meist von der Treuhand, gelegentlich von den Neusiedlern zurückkaufen oder wenigstens pachten müssen. Dies fällt ihnen durchaus nicht immer leicht; denn "reich" im landläufigen Sinne sind die wenigsten von ihnen. Nur dem Privatbankier Graf Finckenstein ist es gelungen, nach dem Kriege wieder ein nennenswertes Vermägen zu erwerben, das er nun in Alt Madlitz investieren kann.

Feldmeyer schildert liebevoll und im Detail die Därfer, in die die Marwitz oder Ribbeck, Marschall von Altengottern oder Rundstedt und all die anderen zurückkehrten, ihre Geschichte und ihren gegenwärtigen Zustand, die Beweggründe der Rückkehrer, ihre Probleme und Erfahrungen. Dabei lernt der Leser nicht nur viel über die deutsche Geschichte, vor allem die preußische, den Nationalsozialismus und die Herrschaft der Kommunisten mit ihren materiellen und geistigen Folgen, sondern auch manches über den Zustand der Verwaltung in Deutschland und Europa, bis hin zu den Ungereimtheiten der europäischen Agrarpolitik, die man wohl nur dann nicht als aberwitzig empfindet, wenn man um Europas willen beide Augen zudrückt.

Vor allen Dingen erfährt man etwas über das Zusammenwachsen dessen, was zusammengehärt, aber so lange geteilt war. Um das wichtigste Ergebnis vorwegzunehmen: Es entzieht sich jeder Verallgemeinerung. Jede der vorgestellten Familien hat ihre eigenen Erfahrungen gemacht, oft ganz unterschiedliche. Einigen begegnet man in "ihren" Därfern mit Vorbehalten; andere, wohl die meisten, fühlen sich durchaus integriert: Manche sind sogar ausgesprochen herzlich empfangen worden. Allen ist gemeinsam, daß sie nicht nur in der Heimat der Familien ihre Traditionen fortsetzen, sondern auch ihren Teil zum Wiederaufbau nach den Zerstärungen der kommunistischen Herrschaft leisten wollen. Bemerkenswert ist, daß sie dabei oft in Amtsstuben auf besonders hartnäckigen Widerstand stoßen. Für Ignoranz und Gleichgültigkeit mancher Treuhand-Dienststellen werden eindrucksvolle Beispiele gegeben. Tragisch für unser Land und eine Aufgabe für die Politik ist es allerdings, wenn den Rückkehrern, wie es auch vorkommt, von ärtlichen Amtsinhabern knallhart zu verstehen gegeben wird, daß sie als "Junker" selbst dann nicht erwünscht sind, wenn sie Geld mitbringen und Arbeitsplätze schaffen. Ideologisch verbrämte Dummheit werden wir uns wohl nicht mehr lange leisten kännen!

Karl Feldmeyer hat ein leicht und angenehm lesbares Buch geschrieben. Er steht erkennbar in der Tradition der berühmten "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" Theodor Fontanes, den er liebt und der ihn auch im Stil beeinflußt hat.Ein gutes, ein wichtiges Buch.

Karl Feldmeyer: Schwierige Heimkehr. Neusiedler auf altem Boden, Siedler Verlag, Berlin 1997, 256 Seiten, 56 Abb., 46,80 Mark


 
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