© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/97  04. Juli 1997

 
 
Die gespaltene Linke
Hans-Peter Rissmann

Spät kommen sie, doch sie kommen. Die Kritiker der europäischen Einheitswährung Euro rücken allmählich in das Licht der Öffentlichkeit. Seit 1992 durch den Vertrag von Maastricht feststand, daß die nationalen Währungen zugunsten des Euro verschwinden sollten, schien das in Deutschland eine abgemachte Sache. Die deutliche Kritik von Wirtschaftswissenschaftlern und Währungsexperten wurde von deutschen Medien und den etablierten Parteien unter den Teppich gekehrt. Politische Oppositon: Fehlanzeige. Die SPD, die Grünen - widerstandslos schluckten sie den Kurs des Kanzlers.

Die wirtschaftspolitischen Motive sind verschiedenartiger kaum denkbar. CDU/CSU und FDP setzten gemeinsam mit der Exportindustrie und den Banken darauf, daß die europäische Währung die Exportchancen verbessert, die durch den hohen Kurs der D-Mark gebremst werden. Sozialdemokraten, Grüne und Gewerkschaften setzen auf eine Angleichung der sozialen Standards in Europa, ferner eine unkontrolliertere Ausgabenpolitik staatlicher Haushalte: die Europäische Zentralbank wird schon nicht so eisern sein wie die Bundesbank. Das Prinzip ist alt: über die Inflation wird die Notenpresse angeschmissen und künstlich die Konjunktur angeheizt.

Doch im Laufe dieses Jahres ist der schöne Traum eines Euro-Konsenses von links bis rechts in Deutschland geplatzt. Immer mehr wächst der Widerstand nicht nur in der Bevölkerung, sondern auch in den Parteien. Und besonders überraschend: Kamen politische Anti-Euro-Oppositionelle bislang fast ausschließlich von rechts (Republikaner, Bund Freier Bürger), so ist inzwischen zusehends die Linke gespalten.

Bei einer Podiumsdiskussion zwischen Jürgen Trittin (Bundesvorstandssprecher der Grünen) und Lothar Bisky (Vorsitzender der PDS) saßen sich vergangene Woche in Berlin zwei Hauptvertreter der radikalen Linken gegenüber. Thema: "Die Linke und der Euro". Trittin freut sich bei der Einführung des Euro vor allem über die Abschaffung der D-Mark und die Entmachtung der Bundesbank. Und: "Der Euro ist kein neoliberales Projekt mehr." Lothar Bisky führt die Bedenken angesichts der Erfahrungen mit der innerdeutschen Währungsunion dagegen. Die PDS hat sich inzwischen gegen den Euro und für eine Rückkehr zum Europäischen Währungssystem mit engen Bandbreiten für Kursschwankungen entscheiden.

Schließlich hat sich die SPD in doppelter Weise am Euro gespalten: Die Kanzlerkandidaten-Frage - Lafontaine oder Schröder - ist zusätzlich durch die Frage "Pro oder Contra Euro?" aufgeladen worden. Immer mehr Anhänger und Wähler der SPD trauen dem niedersächsischen Ministerpräsidenten weitaus mehr Wirtschaftskompetenz zu als dem Saarländer.

Angesichts einer CDU, die politbüroartig auf das Großexperiment Euro eingeschworen wurde, laufen immer mehr bürgerliche, sogar rechte Wähler zu einem potentiellen Kanzlerkandidaten Schröder über. Kein SPD-Politiker seit Helmut Schmidt konnte so viel Zustimmung in konservativen Kreisen verzeichnen.

Nach Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung ist die Euro-Ablehnung unter den Anhängern der Linksparteien im vergangenen Jahr gestiegen: 74 Prozent der PDS-Anhänger, 67 Prozent der SPD-Anhänger lehnen den Euro ab, während es in der CDU/CSU 54 Prozent (Grüne 46 Prozent, FDP 45 Prozent) sind.

Doch der Euro ist nicht nur ökonomisch aufgeladen: An ihm entzündet sich auch die Frage nach der Haltung zur Nation. Die Stimmen werden immer lauter, die der Gleichung "links gleich antinational" widersprechen. Allmählich kommt es auch in Deutschland quer zu allen Lagern in Mode, nationale Interessen wieder selbstbewußter zu formulieren.


 
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