© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/97  04. Juli 1997

 
 
"Carten von Teutschlandt"
von Josef Schüsslburner

Noch bis Mitte Juli findet in der Stiftung Preußischer Kulturbesitz im Wissenschaftszentrum Bonn eine Ausstellung zum Thema "Imago Germaniae - Das Deutschlandbild der Kartenmacher in fünf Jahrhunderten"statt.

Das mittelalterliche "Reich" war von seiner Idee her und als solches im Wortsinne grenzenlos angelegt und daher kartographisch eigentlich nicht abbildbar. Als der Humanismus die ptolemäische Kartographie rezipierte, fand daher die Erstellung der Karten mit ihrer (politischen) Grenzbeschreibung in Deutschland zunächst auf der Ebene der Territorien statt, während sich in den westlichen Nachbarländern das Interesse an der zeichnerischen Abbildung der Erde als Bestandteil des Prozesses zur "Lesbarkeit der Welt" von vornherein auf den jeweiligen Zentralstaat richtete. Deutschland mußte dagegen auch kartographisch erst als kulturelle Leistung erkämpft werden. Noch das Deutschlandbild der Humanisten, ausgedrückt in der "Magna Germania"-Karte der Ptolemäus-Ausgabe von Ulm 1482, unterschied sich kaum von dem der Römerzeit, wobei sich Reich, Deutschland und Mitteleuropa weitgehend als deckungsgleich darstellten. Der Begriff der "Germania-Karten" war dabei kennzeichnend, während "Deutschlandkarten" im eigentlichen Sinne erst nach dem Westfälischen Frieden von 1648 entstanden, der den von universalistischen Bestrebungen motivierten Dreißigjährigen Krieg beendet hat. Diese Entwicklung der deutschen Kartographie reflektiert dabei die historische Tatsache, daß Name und Begriff der Deutschen als einzige in Europa nicht auf einen älteren Landes- oder Stammesnamen zurückgehen, sondern aus der Muttersprache deutscher Menschen gewonnen wurden.

Die Bonner Ausstellung zeigt die berühmtesten Meilensteine in der Entwicklung des kartographischen Bildes Deutschlands, angefangen von der Cusanuskarte von 1491 und Etzlaubs Straßenkarte des Heiligen Römischen Reiches von 1501 über die reichhaltigen Kartenwerke um die Zeit des Dreißigjährigen Krieges, Raritäten der Kunst- und Kulturgeschichte, bis zur Zeit des Rheinbundes. Die Karte des Universalgelehrten Nikolaus von Kues stellt die erste gestochene, "moderne" Karte des deutschen und mitteleuropäischen Raumes dar. Berühmt ist die von Carl Heinrich von Osten 1648 gezeichnete Karte "AMORE PACIS Geographische Carten von gantz Teutschlandt - bey dem Anno 1648 Jahrs zu Münster und Osnabrugt getroffenen Friedens Schluß", deren Randleisten militärische Angaben zum Dreißigjährigen Krieg enthalten. Am Ende der gezeigten Epoche steht die Karte "Teutschland nach dem Reichs Schlusse v. 27. April 1803 mit dem bis zum September 1804 erfolgten Veränderungen" von Adolf Stieler von 1805, welche die (verfassungspatriotische) Bundesrepublik (alt) idealiter vorwegnehmend das bis dahin kleinste Deutschland der Geschichte zeigt. Die Entwicklung nach der ominösen Rheinbundzeit ist, abgesehen von einigen nicht unmittelbar politischen Karten wie die des romantischen (das heißt unpolitisch-harmlosen) Deutschland von 1856 ausgeblendet, obwohl hier erst die Zeit eintritt, in welcher der Begriff Deutschland als Frucht einer langen, sich in kunstvollen Karten niederschlagenden Vorentwicklung seine eigentlich nationalstaatliche und damit letztlich demokratische politische Wirklichkeit entfalten sollte.

Hervorzuheben ist beim eigentlich erfaßten Zeitraum die Deutschlandkarte mit Reichskreisen und Reichsterritorien von J.B. Homann von 1710 aus Nürnberg, betitelt "Imperium Romano - Germanicum in suos circulos Electoratus et Status accurata distinctum", welche im Flächenkolorit die starke territoriale Zersplitterung des Reiches darstellte. Die Kunst der Abbildung dieser politischen Sonderlage, aber auch der Religionsverteilung des Reichs stellt sich gerade als Spezialität der Karten aus den deutschen Kartenverlagen des 18. Jahrhunderts dar. Das intensive Flächenkolorit machte die politische Aussage zum Hauptthema der Karten, während topographische Angaben demgegenüber zurücktraten. Im Zusammenhang mit der Austellung ist im Anton H. Konrad Verlag unter demselben Titel ein Buch erschienen.


 
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