© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    28/97  04. Juli 1997

 
 
Apostel des Wassers
von Michael de Wet

Die französischen Grünen hätten ihn sich gerne als Präsidentschaftskandidaten gewünscht, doch sie erhielten von ihm eine Abfuhr: Jacques-Yves Cousteau, Frankreichs populärster Naturschützer und Natur-Filmemacher, entzog sich der grünen Politik ebenso beharrlich, wie er sich vergeblich bemühte, in den Pantheon der Wissenschaften aufgenommen zu werden. Denn obwohl Leiter des Ozeanographischen Museums in Monaco und Mitglied der Acad‚mie fran‡aise, waren seine eigenwilligen Forschungsmethoden und vor allem die Präsentation der Ergebnisse nicht immer unumstritten. Bei weitem bedeutender war deshalb Cousteaus Rolle als Naturfilmer, der einem Millionenpublikum die Schönheit, aber auch Gefährdung der Unterwasserwelt vorführte. Was dem Deutschen Bernhard Grzimek und seine Fernsehreihe "Ein Platz für wilde Tiere" war, bedeutete den Franzosen der "Apostel des Wassers", wie Cousteau von einer Zeitung tituliert wurde. Seine Expeditionen mit der "Calypso" und die abenteuerlichen Tauchfahrten mit selbstentwickelten Unterwasserfahrzeugen fanden über die Serie "Geheimnisse des Meeres" auch in Deutschland ein dankbares Fernsehpublikum. Über dreizehn Jahre lang rangierte die TV-Reihe auch auf den oberen Plätzen in der Gunst der deutschen Zuschauer und sorgte dafür, daß der hagere, sonnengebräunte Mann mit der Adlernase und unvermeidlichen roten Wollmütze allenthalben eine beachtliche Popularität genoß.

Cousteau wurde am 11. Juni 1910 in dem kleinen Städtchen Saint Andr‚-Cubzac im Südwesten Frankreichs, nahe Bordeaux, geboren. Zunächst wollte er Pilot werden, absolvierte dann seine Ausbildung bei der französischen Kriegsmarine, bei der er es bis zum Korvettenkapitän brachte. Während des Zweiten Weltkrieges gehörte Couseau der Resistance an. Seinen Militärdienst quittierte er 1950, als er von einem britischen Milliardär ein ausgedientes Minenräumschiff preisgünstig erwerben konnte, das er auf den Namen "Calypso" taufte. Dieses Schiff spielte fortan eine entscheidende Rolle im Leben Cousteaus, der sich den Traum verwirklichte, als freischaffender Filmer seine großen Leidenschaft zu widmen: dem Tauchen. Auf diesem Gebiet hatte er bereits frühzeitg Pionierarbeit geleistet. Die Erfindung des Preßlufttauchgerätes im Jahre 1943 geht auf Cousteau und den Ingenieur mile Gagnan zurück. Dem feuchten Element näherte sich Cousteau nicht nur mit technischem Gerät. 1947 brach er den Weltrekord im Freitauchen, als er ohne Hilfsgeräte in eine Tiefe von 91,5 Metern vordrang.

Cousteaus Arbeitswut war sprichwörtlich. Er produzierte mehr als 100, zum Teil abendfüllende Naturfilme und fünf Dutzend Bücher. Er erhielt drei Oscars, unter anderem für den Film "Welt ohne Sonne", der 1965 großes Aufsehen erregte. Zudem gründete er die "Cousteau Society", eine Umweltstiftung, die weltweit mittlerweile mehr als 350.000 Mitglieder zählt. Dabei blieb der Naturfilmer nicht ohne Widersprüche. So vertrug es sich mit seinem einfühlsamen Bildern der Unterwasserfauna wenig, daß er in den sechziger Jahren gleichzeitig die Meeresverschmutzung anprangerte, aber vor Marseille im Auftrag eines Großkonzerns den Meeresboden erkundete, die dort Bauxitschlamm versenken wollte.

In den vergangenen Jahren warnte Cousteau immer wieder vor der Ausbeutung der Weltmeere, engagierte sich gegen die Atomtests auf den französischen Südseeatollen. Zugleich zog er sich mehr und mehr von der Öffentlichkeit zurück, nachdem die abenteuerlichen Expeditionen mit dem Untergang der "Calypso" Anfang 1996 ein Ende gefunden hatten. Nun ist der Kapitän seinem Schiff nachgefolgt. Jacques Yves Cousteau starb vorigen Mittwoch im Alter von 87 Jahren.


 
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