© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    29/97  11. Juli 1997

 
 
Wissenschaft: Auch der Geheimdienst experimentierte mit LSD
Als "Wahrheitsdroge" mißbraucht
von Thomas Illmaier
 

Der Mißbrauch veränderter Bewußtseinszustände und die aktuelle Forschung auf dem Gebiet psychoaktiver Substanzen waren die Hauptthemen, zu denen zwanzig Referenten aus dem In- und Ausland auf dem Symposion des Europäischen Collegiums für Bewußtseinsstudien im Carl Ludwig-Institut für Physiologie in Leipzig sprachen. Die akademische Tradition der Universität Leipzig hat auf diesem Gebiet eine lange Tradition: An der Universität Leipzig isolierte Arthur Hefter 1896 erstmals das Meskalin. Ähnlich wie LSD erzeugt Meskalin veränderte Bewußtseinszustände und galt deshalb in der schamanistisch-religiösen Tradition der Indianervölker Amerikas als einzigartig, um in Kontakt mit den Göttern zu treten.

In der Natur kommt Meskalin in bestimmten Kakteenarten vor und setzt wie alle Psychedelika vom Typ der Halluzinogene sämtliche Mechanismen der Leugnung und Verdrängung außer Kraft. Deshalb wurde es während des Dritten Reiches auch als "Wahrheitsdroge" benutzt und an Häftlingen des Konzentrationslagers Dachau ausprobiert. An den der SS ausgelieferten Gefangenen sollten die Möglichkeiten psychischer Folter ausprobiert werden. Es zeigte sich jedoch, daß die physische Folter "effizienter" wirkt. Die Experimente mit Meskalin wurden deshalb eingestellt.

Dies berichtete der Schweizer Psychiater Lamparter vom Züricher Psin-Institut. Er berichtete, daß die Erfahrungen der Nazis mit dem Mißbrauch dieser alten kultischen Droge nach dem Zweiten Weltkrieg vom Geheimdienst der USA genutzt wurden. Während der fünfziger Jahre wurde insbesondere LSD auf seine Möglichkeiten hinsichtlich seiner Tauglichkeit als Psychokampfstoff getestet. Das sogenannte MK Ultra des CIA erwog Projekte wie das Ausstäuben von LSD über feindliche Truppenteile aus der Luft. Man versprach sich eine vollkommene Desorientierung des Gegners, weil LSD bekanntlich Visionen erzeugt. Genährt wurden diese Pläne durch LSD-Versuche an Kleinkriminellen, Drogenabhängigen und Prostituierten, die das MK Ultra im Auftrag des CIA vornahm. Dabei arbeitete der Geheimdienst eng mit der US Army Chemical Corps zusammen. Bald herrschte jedoch Klarheit darüber, daß die Wirkungen dieser hochkomplexen Droge nicht voraussagbar waren. Es kamen zu Suiciden. Auch Zwangseinweisungen von Versuchspersonen in die Psychiatrie kamen vor. Auf diese Weise, so Lamparter, wurde der CIA auch mißliebige Mitwisser los.

Wesentlich harmloser waren die Inhalte der anderen Vorträge: Kurz vor dem Abschluß stehen die Humanexperimente mit Psilocybin an der Technischen Hochschule Aachen. An der dortigen psychiatrischen Universitätsklinik wird in einer mehrjährigen Studie die Wirkungsweise des Halluzinogens Psilocybin – eines von Gordon Wasson entdeckten und von Albert Hofmann synthetisierten Wirkstoffes des Psilocybinpilzes – erprobt. Die Aachener Experimente sollen der Wirkung von Halluzinogenen, die vor allem von Jugendlichen eingenommen werden, auf die Spur kommen: Während die klassischen Halluzinogene wie Meskalin, LSD und Psilocybin auf die rechte Gehirnhälfte wirken und damit visionäres Erleben und kreative Ausdurcksformen ermöglichen, wirken Entaktogene wie "Ecstasy" nicht spezifisch auf eine Seite des Gehirns ein.

Parallel zu diesen Versuchen werden deshalb an der TH Aachen Langzeitstudien an Probanden aus der Techno-Rave-Szene, die regelmäßig und über einen längeren Zeitraum Ecstasy einnehmen oder eingenommen haben, durchgeführt. Diese klinischen Studien sollen Klarheit über Langzeitwirkungen von "Ecstasy" bringen, weil bisher nur tierexperimentelle Studien vorliegen, deren Ergebnisse nicht oder nur bedingt auf Menschen übertragbar sind.


 
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