© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/97  18. Juli 1997

 
 
Enthüllungsbuch: Sektenaussteiger berichten
Autoritäre Strukturen
von Werner Olles

"Scientology greift an", nennen Günther Träger, bislang ranghöchster deutscher Aussteiger der umstrittenen Psychosekte und Ursula Caberta, Leiterin der Arbeitsgruppe "Scientology" beim Hamburger Senat, ihren "Inside-Report" über die heimliche Macht. Die beiden Autoren werfen der Organisation vor, Parteien, Verbände, Wirtschaft und Staat zu unterwandern, um letztlich in Deutschland die Demokratie abzuschaffen. Zuvor aber sollen zwei führende Scientologinnen Bundeskanzlerin und Außenminsterin werden.

Das hört sich irgendwie alles recht abenteuerlich an und mehr komisch als wirklich gefährlich. Auch daß ein im Auftrag der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen erstelltes Gutachten zu dem Ergebnis kommt, bei Scientology handele es sich um eine "neue Form des politischen Extremismus", vermag eigentlich nur noch den aufzuregen, der sich über aus NRW stammende Absurditäten wundert.

Worum es den beiden Buchautoren aber offenbar wirklich geht, hat Ursula Caberta inzwischen klargemacht. So sollen speziell im Hinblick auf das katholische Laienwerk Opus Dei "autoritäre Strukturen" unter dem Dach der Kirchen gezielt aufs Korn genommen werden. "šber kurz oder lang wird die Diskussion auch vor der katholischen Kirche nicht haltmachen", erklärte Frau Caberta in dankenswerter Offenheit und ließ damit die Katze aus dem Sack.

Nun ist es also endlich heraus. Verdächtig ist alles, was nicht an einen linksliberalen Debattierzirkel erinnert und vor allem nicht in das eindimensionale Weltbild von Frau Caberta und ihren wackeren Mitstreitern paßt. Da muß dann der Verfassungsschutz her, und so wird dann wohl der Fuldaer Erzbischof Dyba demnächst damit rechnen müssen, daß vor seiner Kirche ein paar unauffällig gekleidete Herren damit beschäftigt sind, Deutschland vor der Transformation in einen Gottesstaat zu schützen.

Nun wird die Kirche gewiß auch Frau Cabertas Attacken überleben. Allerdings sollten ihre sogenannten "Sektenexperten" sich bisweilen daran erinnern, daß die größte Gefahr für den Glauben nicht von ein paar winzigen Religionsgemeinschaften oder einigen dubiosen Geschäftemachern ausgeht, sondern von einem Zeitgeist, dem nichts heilig ist außer der hemmungslosen Expansion des eigenen hedonistischen Lebensstils.

 
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