© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/97  18. Juli 1997

 
 
Universitäten: Deutsche Hochschulen entdecken ehemalige Studenten als Förderer
Die Rückkehr der Kommilitonen
von Björn Hauptfleisch

Der lustigen Runde in der Kneipe merkt man auf den ersten Blick nichts besonderes an. Mittleres Alter, gewandtes Auftreten, wie man es unter den hier in Brüssel tätigen deutschen Geschäftsmännern und Verwaltungsleuten vermuten sollte. Doch beim näheren Hinhören ist man etwas verwirrt. Offensichtlich handelt es sich durchweg um ehemalige Passauer Studenten. Sollten sie sich zufällig in der Fremde gefunden haben? Keineswegs. Die gesellige Runde ist ein Beispiel für ein Phänomen, das sich unter Akademikern rasant ausbreitet: Alumni-Vereine.

Das belegt auch eine von der jungen freiheit an den deutschen Universitäten durchgeführte Umfrage. Mehr als eine Pressestelle wußte über eine vor wenigen Wochen erfolgte oder vorbereitete Gründung eines Ehemaligen-Vereins zu berichten (Adressen siehe Info-Kasten). In vielen Fällen wird der Begriff Alumne bzw. Alumni für den oder die Ehemaligen verwendet. Der lateinische Begriff bedeutet soviel wie Zögling und ist jüngst über das Angelsächsische im Deutschen populär geworden. Letzteres veranlaßt so manchen Universitäts-Offiziellen zu englischer Aussprache des Begriffs, was aber nicht korrekt ist, da er schon lange ein zugegebenermaßen bescheidenes Dasein in unserer Sprache hatte.

Nicht ohne Stolz berichtet Geschäftsführerin Hildegard Burchardt: "Es gibt an der Universität Passau einen der größten Alumni-Vereine in Deutschland seit 1990. Mittlerweile umfaßt er ca. 1.300 Mitglieder." Der Passauer Alumni-Verein hat sich zahlenmäßig aber nur an die Spitze gesetzt, weil andere Universitäten mehrere Alumni-Vereine nach Fachbereichen getrennt besitzen. Teilweise werden deren Aktivitäten von den an allen Universitäten vorhandenen Förder- und Freundesvereinen koordiniert oder sie sind sogar Teil der Fördervereine. Manchmal arbeiten sie aber auch völlig selbständig. Ein Beispiel für solche Selbständigkeit ist die Technische Universität München. Dort kann als Kuriosum der "Verband ehemaliger Weihenstephaner der Brauerabteilung e.V. ", eine der ältesten Ehemaligenorganisationen, im nächsten Jahr sein 100jähriges Bestehen feiern. Die große Gründungswelle begann aber erst vor rund drei Jahren.

Vielfältig sind auch die Wege, die zur Gründung der Vereine führten. Nicht selten wurden die Ehemaligen selbst aktiv, bezogen aber von Anfang an die Universitäten mit ein. Holger Lüking vom "Alumni Jenensis", der Wirtschaftswissenschaftler von der Friedrich-Schiller-Universität in Jena vertritt: "Bei der Fakultät sind wir offene Türen eingelaufen. Und aus diesem Grund, um bewußt den Kontakt zur Fakultät zu halten, ist der Dekan qua Amt bei uns gemäß Satzung Vorstandsmitglied."
Eine besondere Kategorie sind die Alumni-Vereine für ausländische Studierende. Da sie leichter als andere den Kontakt zu ihrer Uni verlieren, wurde hier von den Akademischen Auslandsämtern die Initiative ergriffen. Gelegentlich, so in Potsdam, ist vorgesehen, die Organisation in einer zweiten Phase auch auf die deutschen Studenten auszudehnen.

Für die Ruprecht-Karls-Universität in Heidelberg lag es nahe, einen ganz eigenen Weg in die Alumni-Gemeinde zu beschreiten. Der hohe Ausländeranteil, nicht zuletzt durch das besondere Flair von "Old Heidelberg" bedingt, ließ die Gründung des "Heidelberg Alumni International" den Charakter eine Fremdenverkehrsaktion annehmen. Auf der Titelseite einer Hochglanzbroschüre wurden die Ehemaligen "Zurück im Schoß der Alma mater" begrüßt. Neben anderen Aktivitäten wird auch eine Zimmervermittlung und Betreuung bei Besuchen in Heidelberg geboten.
Die internationale Zusammensetzung bedingt eine Besonderheit bei der Beitragsgestaltung. Es können Patenschaften für Mitglieder aus Ländern geboten werden, in denen Akademiker ein im internationalen Vergleich extrem geringes Einkommen besitzen. Für Deutsche sollten die Kosten aber kein Hinderungsgrund sein. Die jährlichen Beitragszahlungen belaufen sich der JF-Umfrage zufolge auf etwa 50 bis 100 DM. Dafür wird zumeist von ehrenamtlichen Kräften ein umfangreiches Programm organisiert.

Alumni-Vereine betreiben alles andere als reine Traditionspflege. Für die Ehemaligen werden als Standardprogramm die jeweilige Universitätszeitung sowie Kontaktvermittlung zu anderen Ehemaligen geboten. Hinzu kommen oft ein jährlicher Ball in der Universität und regelmäßige Stammtische in den Städten, in denen sich genug Teilnehmer finden. Aber auch zu den Studenten werden Kontakte geknüpft. Ganz gleich, ob in Lüneburg oder Regensburg: Alumni-Vereine sorgen durch die Vergabe von Preisen und ein angemessenes Rahmenprogramm dafür, daß das Aushändigen der Abschlußzeugnisse von jener Banalität befreit wird, die es vielerorts noch hat.
Aber auch handfeste Vorteile sollen die Studenten haben. Nicht wenigen Hochschulen schwebte bei der Gründung der Alumni-Vereine ein Rückkopplungseffekt zwischen Studenten und Alumni vor. Die Ehemaligen sollen den Studenten bei der Suche nach Praktikumsplätzen oder bei der Bewerbung helfen. Andererseits will man ihnen aber auch Gelegenheit geben, die Lehrinhalte auf ihre Berufstauglichkeit zu untersuchen oder selbst Vortragsveranstaltungen zu halten.
Daß auch eine weitergehende finanzielle Hilfe für die Vereine und die Fakultäten begrüßt wird, darf selbstredend vorausgesetzt werden.

Vor dem Hintergrund sinkender Studentenzahlen und knapper Kassen sollten sich auch die jüngeren Ehemaligen angesprochen fühlen. Für den weiteren Berufsweg insbesondere für den Einstieg ins Berufsleben hat es sich nach Äußerungen von ehemaligen Studenten gegenüber der jungen freiheit nicht gerade förderlich, an einem Institut studiert zu haben, das kurz nach dem Abschluß dem Rotstift und der Evaluierung zum Opfer gefallen ist.

Ein Enagegment in den Alumni-Vereinen kostet nicht viel und gibt gerade älteren Semestern, die vielleicht gar nicht über den Zustand ihrer Universität glücklich sind, die Gelegenheit, etwas zum Besseren zu ändern. Und wenn es an einer Universität noch keinen Alumni-Verein gibt dann ist es höchste Zeit, einen zu gründen.

 
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