© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    30/97  18. Juli 1997

 
 
Gift der Unsicherheit
Kommentar
von Bernd-Thomas Ramb

Wieder einmal verletzt die Bundesregierung eines der fundamentalen Gesetze für eine erfolgreiche Wirtschaftspolitik. Kaufleute sind vorsichtige Wesen, im doppelten Sinne. Sie wollen möglichst weit in die Zukunft schauen und mögliche Risiken weitgehend vermeiden. Die Haushaltsplanung der Bundesregierung erreicht genau das Gegenteil: kaum Zukunftsaussichten (wieder im doppelten Sinne) und das bei gefährlichen Risiken.

Der Bundeshaushalt 1997 ist zunächst ein Lehrbuchbeispiel für eine verfassungswidrige Gestaltung der Staatsausgaben, in dem er die Höhe der Neuverschuldung deutlich über den Betrag der Investitionen steigen läßt. Bei einer Nettokreditaufnahme von 71,2 Milliarden DM gegenüber einer Investitionssumme von 59,1 Milliarden DM fällt dieser Verfassungsbruch nicht in die Klasse der geringfügigen Petitessen. Hier wurde offensichtlich nach dem Prinzip verfahren: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt's sich gänzlich ungeniert. Mit der Wahl dieser Größenordnung wird auch schon die nachfolgende Stufe der Haushaltskorrektur vorbereitet. Die nächste Steuerschätzung, genauer Steuereinnahmenoffenbarung, kommt im Herbst dieses Jahres und die Bundesregierung ist berühmt-berüchtigt für ihre (Selbst-)Überschätzung. Die dann ebenso zwangsläufig anschließende, wie bereits routiniert eingewöhnte Aufstockung des Haushaltslochs benötigt dann auch keine weitere Erläuterung mehr: Es ist eben die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, die zu dieser mittlerweile im dritten Jahr wiederholten "Ausnahme" zwingt. Wirtschaftsweise wie Sachverständige bezweifeln deshalb und auch für den Laien nicht überraschend, daß diese angebliche Störung so unvorhersehbar aufgetreten sein soll und entsprechende Konsolidierungsmaßnahmen nicht in vorangegangenen Haushaltspläne hätten aufgenommen werden können.

Bedeutender ist jedoch die Einschätzung der Wirtschaftssachverständigen, daß die Ausrede eines gestörten Wirtschaftsgleichgewichts im logischen Widerspruch zu den getroffenen Haushaltsmaßnahmen steht. Gleichgewichtsstörungen bestehen auf dem Arbeitsmarkt, mit bis zu acht Millionen Arbeitsuchenden nicht zu knapp. Wie und wo aber wird die höhere Neuverschuldung zum Abbau dieser Misere eingesetzt?

Neben der Verunsicherung der Wirtschaft durch eine undurchschaubare Haushaltspolitik gelingt der Bundesregierung noch eine zweite Verletzung wirtschaftspolitischer Grundgesetze. Wo ihre Haushaltspolitik durchsichtig ist, ist sie verfehlt. Noch muß nur Waigel seinen Buckel für die berechtigte Prügel herhalten.
 
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