© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    31/32/97  25. Juli/ 01. August 1997

 
 
Euro: Verantsaltung der "Liberalen Offensive" in Berlin
Heimspiel für Manfred Brunner
von Hans B. von Sothen

Ich halte den Euro für eine ausgemachte Schnapsidee", beginnt Manfred Brunner, Parteivorsitzender des Bundes Freier Bürger und hat damit sofort das etwa 200köpfige Pubikum im Berliner Restaurant "Nolle" auf seiner Seite. Mit ihm diskutierten am 17. Juni zwei Euro-Befürworter, der Berliner Wirtschaftsprofessor Michael Tolksdorf und der EU-Beauftragte der Deutschen Bank, Andreas Herschel. Dem BFB-Chef zur Seite als Euro-Gegner - Parität ist ein Muß in einer liberalen Partei - steht der ehemalige Generalbundesanwalt Alexander von Stahl. Brunner setzt sich in der Veranstaltung der nationalliberalen "Liberalen Offensive" in der FDP für klassisch liberale Positionen ein.

Er ist für einen Wettbewerb der Währungen: "Die Behauptung, daß eine Einheitswährung die natürliche Vollendung des Binnenmarktes sei, ist falsch. Im Gegenteil: der Binnenmarkt braucht sogar verschiedene Währungen. Bei wirtschaftlich unterschiedlich starken Räumen wirken unterschiedliche Währungen wie ein Stoßdämpfer. Sie sorgen dafür, daß die ungleichen Wirtschaftsverhältnisse nicht aufeinanderprallen, sondern schaffen zwischen den verschiedenen Mitgliedsstaaten fließende Übergänge, die Währungen je nach Produktivität und politischer Stabilität härter oder weicher gestalten können." Übergroße Währungsgebiete führten immer zu horizontalen Transferleistungen, sprich: zu dauernden Zahlungen der wohlhabenderen Gebiete an die ärmeren. Die Auseinandersetzungen, die das verursachen würde, werden eher zu einer europäischen Desintegration führen.

Michael Tolksdorf widerspricht: "Ein großer stabiler Währungsfonds ist eine Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Unternehmen. Und ich argumentiere aus deutscher Sicht." Man müsse mit den USA durch ein größeres Währungsgebiet endlich konkurrenzfähig werden.
"Das, was mit dem Euro geplant ist, ist das leichtsinnigste Unternehmen, seitdem die Titanic auf ihre Jungfernfahrt gegangen ist", hält Alexander von Stahl dagegen. Wer heute behaupte, daß der Euro genauso stabil sei wie die Mark, sei ein Scharlatan. "Es hat in der Vergangenheit eine Reihe von Währungsunionen zwischen souveränen Staaten gegeben. Die sind alle geplatzt. Auch das Deutsche Reich hat seine Währungsunion erst fünf Jahre nach der Reichsgründung verwirklicht." Eine gemeinsame Währung verschiedener souveräner Staaten komme ihm so vor, "als ob wir eine Firma haben, in der die Finanzabteilung gemeinsam ist, aber jede Firma ihr eigenes Marketing, ihre eigene Personalabteilung und ihren eigenen Einkauf hat."

"Der Vertrag von Maastricht ist völkerrechtlich bindend. Wenden wir doch nicht unglaublich viel Kraft auf und fragen: Was kann werden? Gehen wir doch erst mal den Weg voran", schlägt Herschel von der Deutschen Bank vor. Das trägt ihm lautstarken Spott im Saal ein. Brunner greift die Großbanken an: Die hätten schließlich selbst zugegeben, daß sie sich von der Währungsunion zuvörderst eine Marktbereinigung erhofften. Die Raiffeisenbanken würden, so Brunner, vom Markt verschwinden und die Sparkassen ums Überleben kämpfen. Deshalb seien die Großbanken so erpicht auf die Währungsunion. Diese Politik werde zu allem möglichen führen, nicht aber zu mehr Wettbewerb. Und das werde letztlich - hier mag er an Friedrich von Hayek gedacht haben - zu einer Politik der Unfreiheit führen.

Es ehrt die Liberalen in Berlin, daß sie eine so offene und kontroverse Diskussion unter Teilnahme sogar ihres "Renegaten" Brunner zugelassen hat. Die gereizte Stimmung im Publikum zeigte lediglich, wie sehr das Thema "Euro" den Bürgern unter den Nägeln brennt. Wenn sich bei herkömmlichen politischen Veranstaltungen das Parteivolk zu Tode langweilt, sollte dies den Politikern ein Alarmsignal sein. Denn das muß dann wohl daran liegen, daß die brennenden Themen nicht angesprochen werden.

 
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