© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/97  08. August 1997

 
 
Der Pegel steigt
Kolumne
von Klaus Hornung

Noch immer meinen viele in unserer Politischen Klasse und ihrem kritiklosen Anhang, im Grunde sei doch alles paletti, nach einigen kosmetischen Reförmchen laute die Parole "Weiter so!". Nur die bösen (natürlich Rechts-) Extremisten wollten "der Demokratie" ans Leder. Doch die Realitäten brechen sich Bahn.

Der niedersächsische Ministerpräsident gibt der Meinung und dem Willen von über 70 Prozent unserer Bevölkerung Ausdruck, wenn er das Tabu unserer inneren Sicherheit und Ausländerpolitik lüftet. Und auch der BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel gibt zu erkennen, daß man "Oben" endlich beginnt, aus der Hypnose unserer Schönwettergesellschaft zu erwachen, wenn er auf zwei Schwachpunkte unserer politischen Verfassung aufmerksam macht: Da ist unser überperfektionierter Föderalismus,der unserer politischen Klasse eine Hülle von Selbstbedienungsmöglichkeiten bietet. Und da ist das Verhältniswahlrecht, das Fundament jenes totalen Parteienstaats, der sich inzwischen über die von der Verfassung gewollte repräsentativ-parlamentarische Demokratie gelegt hat, sie aushöhlt und erstickt.

Da ist ferner das Christlich-Konservative-Deutschlandforum (CKDF) zu nennen, das mit seinen kürzlich veröffentlichten Leitsätzen zur Ausländerpolitik ebenfalls jener 70-Prozent-Mehrheit eine Stimme gibt. Mit Recht nennen sie die multikulturelle Gesellschaft die Vorprogrammierung schwerer Konflikte, wie alle geschichtlichen Erfahrung bis hin zur Sowjetunion und Ex-Jugoslawien lehrt. Und die "doppelte Staatsbürgerschaft" wäre genauso eine weltweite deutsche Sonderaufführung wie unser Asylrecht mit seinen großzügigen Sozialleistungen, die auf Ausländer natürlich wie ein Magnet wirken müssen. Ein Einwanderungsgesetz wäre nur dann sinnvoll, wenn es die bisherigen Zuwanderungsformen (Asylbewerber, Kriegsflüchtlinge, Familienzusammenführungen etc.) durch eine kontrollierte Zuwanderung ersetzt, die die eigenene deutschen Interessen an erste Stelle rückt, wie dies alle klassischen Einwanderungsländer seit je getan haben und tun.

Die Deutschen sind durch ihre obrigkeitliche politische Kultur stets ein braves, geduldiges, in Zivilcourage unterbelichtetes Volk gewesen und geblieben. Doch der Pegel des Unwillens und des Zorns steigt. Die Ursachen sind nicht die "Extremisten", sondern die hier und heute politische Verantwortlichen. Sie haben geschworen, "den Nutzen des deutschen Volkes zu mehren, Schaden von ihm zu wenden". An diesem Eid sind sie zu messen. Spätestens 1998.


 
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