© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    33/97  08. August 1997

 
 
Alkohol und Langeweile
Kommentar
von Jürgen Hatzenbichler

Peinlich kann es im Parlament schon werden, allerdings sind die meisten Peinlichkeiten nicht lustig. Wenn es ums gute Krügerl geht, genauer: darum, wieviel denn der autofahrende Mensch von solchen zu sich nehmen darf, dann ergibt das aber eine Kabarettreife, die von den Spitzen der heimischen Kleinkunst kaum erreicht wird. So inspiriert der Alkohol die Menschen auch zu politischen Höhenflügen, das allerdings nicht nur im Parlament, sondern vor allem am Stammtisch. Alkohol, der gehört zum Land, wie die Mozartkugeln, die Lipizzaner und die Sängerknaben, die aber hoffentlich noch nicht trinken dürfen. O,5 statt 0,8 Promille, das wäre eine Revolution, die nur nüchternen Sozialdemokraten einfallen kann.

Andererseits hat man ja auch viel vom Unterhaltungswert anderer Drogen gehört, nämlich der wirklichen, der harten. Heute "weiß bekanntlich jedes Kind, auf welchem Schnee wir talwärts fahren". Wesentlich weniger Kinder dürften zwar wissen, daß das eine Zeile aus einem Lied des vormaligen Austro–Barden Falco ist, dafür würden die meisten Kinder, wenn man ihnen solcherlei Zeilen vorsagt, an den Skispringer Andreas Goldberger denken.

Jenseits dieser berauschenden Probleme, deren legale Seite der Alkohol, deren illegale aber die Drogen sind, muß man sich aber ziemlich ernste Fragen stellen. Denn irgendetwas passiert doch in einer Gesellschaft, in der die Berauschung zum üblichen Mittel, Spaß zu haben, wird. Jenseits des dummen Spruchs, daß man "auch ohne Alkohol lustig sein kann", der meist von Müttern und Pfadfinder–Führern verwendet wird, sollte man sich schon überlegen, warum eskapistische Rauschzustände für Menschen so wichtig werden. Ist es die Langeweile in der heutigen Gesellschaft, die selbst durch ein Konsumüberangebot nicht mehr befriedigt werden kann?

Ob der staatlich legale "Vollfetzen" gesünder ist, als "gewuzelter" Hanf, sei dahingestellt: Zentral ist, daß die anonymen Alkoholiker ebenso mehr werden, wie die aufgedeckten Zeitgenossen, die Illegales sich zuführen. Scheinbar fühlen sich heute viele nur mehr dann richtig zufrieden, wenn sie so richtig dicht sind, nichts mehr mitkriegen, wenn irgendetwas mit ihnen passiert, das jenseits der Kontrollgesellschaft liegt. Doch anstatt auf Menschen, die in solche Fallen gelaufen sind, herumzuhacken, sollte man sich überlegen, wie viele in diesem Land wieder nüchtern werden können. Für den Autofahrer hört die individuelle Freiheit noch immer bei 0,8 Promille auf. Doch ansonsten läßt sich dieses Drogen-Problem nicht mit Gesetzen lösen, dazu braucht es vielmehr die Gesellschaft.


 
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