© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/97  15. August 1997

 
 
Frauen und rechte Politik
von Björn Hauptfelisch

Die neue politische Kraft ist jung, grün und weiblich." So urteilte vor einiger Zeit eines der auflagenstärkeren und ansehnlicheren Blätter alternativer Provenienz. Dabei ließen die Redakteure des Blatts keinen Zweifel daran aufkommen, daß mit "grün" in diesem Fall "links-alternativ" gemeint war.

Das Urteil der Zeitschrift kann im Kern nicht in Zweifel gezogen werden. Frauen, zumal junge, sind im rechten, konservativen Lager erheblich unterrepräsentiert. Dies belegen die Mitgliederlisten der entsprechenden Parteien und auch Umfragen zur politischen Einstellung verschiedener Bevölkerungsgruppen.

Daraus ergeben sich mehrere Fragen. Erstens, sollte man dieser Tatsache Beachtung schenken? Zweitens, wie ist das "abweichende" Verhalten der Frauen - oder das der Männer - zu erklären? Drittens, wie läßt sich das Verhalten ändern?

Gerade auf der konservativen Seite sollte man sich fragen, ob man die eigene Politik immer ins rechte Licht gestellt hat. Wer von vornherein 50 Prozent aller potentiellen Wähler, Aktivisten, Geldgeber vernachlässigt, der hat keine Chance, jemals aus einer Nischenposition herauszukommen. Dabei hat es in Deutschland immer eine hohe Anzahl konservativer und rechter Frauen gegeben, die sich gegen linke Lösungen in der Frauenfrage ausgesprochen haben. Die doch nicht unerhebliche Zahl von ihnen, die sich politisch nach rechts orientiert und dies auch bei Wahlen und durch eigenes Engagement zeigt, ist nicht mit den immer zu findenden statistischen Ausreißern zu erklären. Insbesondere in kirchlichen Gruppen und in eher auf kulturellem Gebiet tätigen Verbänden ist ein großes Engagement von Frauen festzustellen. Dies läßt die Unterrepräsentanz in den im eigentlichen Sinne politischen Bereichen aber um so krasser ausfallen.

Mit politischem Desinteresse ist das nicht zu erklären. Linke, insbesondere alternative Gruppen haben einen wesentlich höheren Frauenanteil als rechte. Mit dort verbreiteten Frauenquoten hat das nicht viel zu tun. Die geschlechtsspezifische Mitgliederverteilung gibt auch geschlechtsspezifische Sichtweisen wieder. So wunderten sich zum Beispiel die Herausgeber der Zeitschrift Bild der Wissenschaft anläßlich einer Leserumfrage darüber, daß Frauen - unabhängig von ihrer politischen Position - wesentlich häufiger als Männer Kernenergie ablehnten. Auch bei anderen Fragen ergibt sich ein Bild, das zu dem Schluß führen könnte, daß Frauen tendenziell "harte" technische oder verwaltungstechnische Problemlösungen ablehnen. Da solche aber, so wird behauptet, bevorzugt von rechts propagiert werden, könnte dies als Erklärung für die angebliche Linkslastigkeit von Frauen dienen.

Zwei weitere mögliche Gründe dürfen nicht vernachlässigt werden. Erstens die politische Aufmerksamkeit, die Frauen von Seiten der feministischen Organisationen widerfährt, kombiniert mit der völligen Nichtbeachtung des Feminismus von rechts. Rainer Zitelmanns Analyse, daß der bedeutungslos gewordenen kommunistischen Ideologie zu viel Aufmerksamkeit geschenkt werde, während man den zunehmenden Einfluß dieser neuen Heilslehre übersehe, ist durchaus ernstzunehmen. Frauen - insbesondere aus dem Bildungbürgertum - haben sich inzwischen daran gewöhnt, daß für sie eine ideologische Extrawurst gebraten wird. Diese Feststellung stempelt sie aber deshalb nicht alle zu Feministinnen. Die meisten nehmen halt die Vorteile mit, wenn es denn welche zu ergattern gibt, und bleiben sonst aus der Schußlinie.

Der zweite Grund für die Vorbehalte einer größeren Anzahl emanzipierter Frauen gegen konservative Politik steht eng in Verbindung damit. Das konservativ-rechte Spektrum konzentriert sich in männerbündischen Strukturen wie beispielsweise den Burschenschaften oder dem Militär. Diese Konzentration oder Fehlgewichtung verstärkt sich selbst. Erst einmal in die Defensive und Isolation geraten, hängt den Gruppen hartnäckig der Ruf an, sie seien konspirative Runden und ein Sammelbecken für lebensuntüchtige und kontaktunfähige Existenzen. Da Frauen signifikant häufiger großen Wert darauf legen, gesellschaftlich akzeptiert zu sein, zeigt das entsprechende Wirkung. Ob es nun (pseudo-) martialisches Auftreten oder maßlose Verbalattacken sind: So gewinnt man eben keinen Blumenstrauß, egal wie verständlich solches Verhalten als Folge langanhaltender Frustration auch sein mag.

Männer haben auch in rechten und konservativen Kreisen gelernt, daß es eine rechte Frauenpolitik gibt, die nicht identisch ist mit der herkömmlichen konservativen Frauenpolitik, die sich allein als Teil der Sozial- und Familienpolitik versteht. Es muß darum gehen, die Veränderung des Geschlechterverhältnisses und der Reproduktionsverhältnisse, die in den letzten 30 Jahren stattgefunden hat von rechts in politisches Handeln umzusetzen. Um gleich einem Einwand zu widersprechen: Es geht hier nicht um die Frage, ob die Veränderung umkehrbar ist oder nicht. Rechte und konservative Politik wird von Männern und Frauen gemacht. Sind die Interessen eines Teils unterrepräsentiert, so muß die ganze Politik scheitern.

Frauen sind in vielen Bereichen Nutznießer "rechter", auf prompte Problemlösung ausgerichteter Politik, worüber in der …ffentlichkeit nicht gern geredet wird. Ganz im Gegensatz zu den Thesen des (…ko-) feminismus profitieren Frauen wesentlich mehr als Männer von den Segnungen der Zivilisation und einer florierenden Wirtschaft, wie die Statistiken über Lebenserwartung und Krankenfürsorge zeigen. Die feministische Propaganda hat beim Verschleiern solcher Zusammenhänge ganze - zumeist aus öffentlichen Geldern bezahlte - Arbeit

geleistet.

Gerade bei moralisch aufgeladenen Themen, um die es bei der Frauenpolitik häufig geht, muß man strikt zwischen Wegen und Zielen unterscheiden. Wie erwähnt, hat sich eine Sonderbehandlung von Frauen in der Politik fest etabliert. Versuche, diese Sonderbehandlung zu ignorieren, sind gescheitert und werden vermutlich auch in anderen Fällen scheitern. Frauen sind nicht erst durch den Feminismus, sondern bereits früher durch das private Umfeld daran gewöhnt worden, speziell auf sie zugeschnittene Angebote zu erhalten.

Dazu ein Beispiel aus dem universitären Bereich: Nach der Übernahme einiger Asten im vergangenen Jahr durch den RCDS wurden unter anderem deren "Frauenreferate", auch von Studentinnen des RCDS, beseitigt. Die Wähler honorierten die dadurch erzielten finanziellen Einparungen aber keineswegs. Wenn man also das Geld ohnehin für Frauenpolitik ausgeben kann, warum dann nicht für eine, die konservativen Vorstellungen entspricht?

Konservative und rechte Poltik ist eine Politik, die unter anderem auf kulturelle Überlieferung und auf Vorstellungen von Sicherheit gründen. Dies ist eine Politik, die für Frauen durchaus attraktiv ist. Abgesehen von Äußerlichkeiten könnte dabei ein Paradox helfen: Während, so Umfragen, zur Lösung räumlich oder sozial weit entfernter Probleme von Frauen möglichst "weiche" Lösungen gesucht werden und darüber die Lösungskompetenz verloren geht, verändert sich das Bild dramatisch, wenn man den sozialen Nahbereich betrachtet. Hier zeichnen sich Frauen nicht nur durch weitsichtigen Realitätssinn sondern durchaus mehr noch durch beachtliche Härte aus. Die öffentlichen Meinungsbekundungen von Frauen aus dem politischen Mainstream über das Strafmaß für verschiedene Verbrechen sprechen für sich selbst. Während oft viel Verständnis für die Täter geäußert wird, ändert sich dies schlagartig, wenn es um Verbrechen am eigenen Wohnort oder um spezifisch gegen Frauen gerichtete Verbrechen geht.

Das Ziel rechter und konservativer Frauenpolitik müßte es hier sein, eine Verbindung zu schaffen zwischen den rechten Vorstellungen über einen starken Staat und den Interessen von Frauen an inidividueller Sicherheit. Selbstverständlich beinhaltet das eine das andere. Aber wird das denn klar, so, wie heute rechte Politik betrieben wird? Wenn man sich gegen Frauenparkplätze und ähnliche Maßnahmen ausspricht und dann noch durchblicken läßt, daß man diese Schutzmaßnahmen für die Produkte von Hysterie und Anspruchsdenken hält, so kann man doch nicht von einer ablehnenden Reaktion überrascht sein. Eine Alternative wäre in diesem Fall, ausdrücklich Verständnis für das Interesse an mehr Sicherheit zu zeigen. Dies würde die Möglichkeit eröffnen, auf die Ursachen der Gewalt hinzuweisen und eigene Lösungsvorschläge vorzubringen. Dabei müßte aber in jeder Stufe der entstehenden Diskussion deutlich Bezug genommen werden auf die Sicherheitsbedürfnisse der Frauen, deren Berücksichtigung ein Teil des Schutzes des Gemeinwohls ist.

Mit anderen Fragen, so im Sozial- und Arbeitsrecht, sollte ähnlich verfahren werden. Die Aufgaben für eine eigene rechte, konservative Frauenpolitik wären damit vorgezeichnet. Bei genauer Betrachtung der "Frauenförderung" durch die derzeitige Regierung drängt sich ohnehin der Verdacht auf, daß dort manche Leute ähnlich denken. Was zu diesem Thema aus den Ministerien mitgeteilt wird, sollte nicht ungeprüft als bare Münze genommen werden. Über die Verlautbarungen aus dem Regierungslager brechen Rechte allzu schnell in Gezeter aus anstatt erst einmal die Inhalte zu prüfen, die sich hinter der zeitgeistkonformen Fassade verbergen. Für das von Linken konstatierte "Claudia-Nolte-Syndrom" - links-feministisch reden und einigermaßen rechts handeln - gibt es mehr als ein Beispiel. Ob dies allerdings Absicht ist oder nur die Unfähigkeit, es schlechter zu machen, sei dahingestellt.

Als Quintessenz bleibt, daß die Form, in der Politik verkauft wird, viel mehr beachtet werden muß, denn sonst helfen die schönsten Inhalte nichts.


 
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