© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    34/97  15. August 1997

 
 
Computer: Branchenführer Microsoft steigt bei Erzfeind Apple ein
Bills Biß in den Apfel
von Michael Oelmann

Der Mann hat geradezu einen mystischen Ruf: Bill Gates, Chef von Microsoft und per "Tellerwäscher"-Karriere zu einem der reichsten Männer der Welt avanciert, ist mittlerweile eine Art Guru der Informationsgesellschaft. Neuerliches Aufsehen erregt sein Coup, beim traditionellen "Erzfeind" Apple Computer – dem anderen, großen Anbieter von Betriebssystemen – mit 150 Millionen eingestiegen zu sein.

Als Apple-Chef Steve Jobs auf der Messe "Macworld" im kalifornischen Palo Alto den Deal der beiden Firmen bekanntgab, machte sich bei den zuhörenden Apple-"Jüngern" Erstaunen, ja Entsetzen breit. Nicht ohne Grund: Beide Firmen gründeten sich 1975 in Kalifornien und waren fortan die härtesten Konkurenten für Betriebssysteme. Mac oder Windows – an dieser Frage scheiden sich bis heute die Gemüter der Computeranwendern. Eine Art Glaubensfrage der Infogesellschaft. Ein geflügeltes Wort war die Devise von Steve Jobs, "wenn Microsoft verliert, gewinnt Apple".

Doch seit Ende der 80er Jahre geriet Apple mehr und mehr ins Hintertreffen, verlor Marktanteile auf dem PC-Markt – von ehemals über zehn Prozent auf knapp über 3 Prozent – und Umsatz – von elf Milliarden Dollar in 1995/95 auf knapp sieben Milliarden Dollar im letzten und diesem Jahr. Daß sich aber die seit längerem kursierenden Gerüchte um einen Einstieg externer Geldgeber nun durch den Ankauf stimmrechtsloser Aktien durch Microsoft bewahrheitet, hatte kaum einer auf seiner Rechnung.

Freilich gilt in der Wirtschaft das Kokettieren in Freund-Feind-Dimensionen nicht viel, wenn es um handfeste strategische Zwecke geht. Längst schon hatte Microsoft Applikationen für Apple-Rechner – das Tabellenkalkulationsprogramm Excel und die Textverarbeitung Word – erstellt und damit an die 400 Millionen Dollar kassiert. Und auch andere Medien- und Computerfirmen haben in den letzten Wochen mit Fusionen und Akquisitionen vorgelegt: Fuji mit Amdahl, SAP mit Intel, Sun Microsystems mit Diba und National Semiconductor mit Cyrix, um nur einige der zuletzt gehäuften Zusammengänge zu nennen. Und für Apple war klar: nur ein potenter Partner kann die Firma auf mittelfristige Sicht stützen. Neben der Kooperation mit Microsoft deutet sich dies auch in der grundlegenden personellen Neustrukturierung des Verwaltungs- und Aufsichtsrates bei Apple durch Steve Jobs an, der unter anderem Oracle-Chef Larry Ellison, Jerry York, den ehemaligen Finanzchef von IBM sowie Bill Campell vom Quicken-Produzenten Intuit gewinnen konnte.

Bill Gates, für den der Beteiligungsbetrag von 150 Millionen Dollar sozusagen aus der Portokasse bezahlbar ist, hat mit dem Deal gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen können. Bill Gates Medienkonzern umfaßt mittlerweile nicht nur die mit weitem Abstand marktführende Software-Marke Microsoft, sondern auch Fernsehsender, Online-Magazine und vor allem Internet-Produkte. Alles in allem erzielte Gates 1996 einen Umsatz von 20,3 Milliarden Mark und ein Rekordgewinn von 6,1 Milliarden Mark.

Wichtigstes Argument für seinen Einstieg bei Apple, so Analysten, seien vor allem seine Probleme mit der amerikanischen Anti-Trust-Behörde. Denn den Kartellhütern ist die dominierende Marktpräsenz von Microsoft seit langem ein Dorn im Auge. Durch den Erhalt des Konkurrenzsystems Apple könnte Bill Gates die drohende Zersplitterung seines Konzerns in einen Betriebssystem- und einen Softwareanbieter clever umgangen haben.

Auch die Absicht, für die Microsoft-Internet-Produkte, die laut Vereinbarung künftig auch auf Apple-Rechnern zum Tragen kommen, Marktvorteile zu gewinnen, hat eine Rolle gespielt. Bill Gates hat erkannt, daß die Zugangskontrolle zum Internet sein größtes Kapital für die Zukunft ist. Hier ist der Zugriff auf die Apple-PCs ein maßgeblicher Vorteil vor den jungen Konkurrenten wie Netscape und Java, den beiden Haaren im Internet-Suppeneinheitstopf von Microsoft.

Ein weiteres Plus des Zusammengangs sind laut Wirtschaftsinsidern die Beendigung von Patent- und Lizenzstreitigkeiten der beiden Firmen, die sich mit dem Joint-Venture erledigt haben dürften. Alles in allem scheint Bill Gates erneut einen cleveren Schachzug gemacht zu haben, seine unangefochtene Führungsrolle im Computerbereich zu festigen. Einen Tag nach der Ankündigung seines Einstiegs bei Apple stiegen die Aktien des Konzerns um 6,5 auf über 26 Dollar – einen Großteil seiner Investition hat Bill Gates also alleine dadurch wieder drin – in der Portokasse.


 
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