© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    37/97  05. September 1997

 
 
Voscherau wirbt für die DVU
Kommentar von Dieter Stein

Der Wahlkampf in der Hansestadt Hamburg tritt in seine heiße Phase. Nun gab es in der Vergangenheit eine Standardtaktik der etablierten Parteien: Marginalisierung der außerparlamentarischen Konkurrenten, Themen, die von rechts ins Spiel gebracht wurden, haben im Wahlkampf keine Rolle zu spielen. Bloß nicht den Bürger in unnötige Unruhe versetzen, sondern nur über Positionen streiten, bei denen sich die Altparteien die Bälle lässig zuspielen können. Das sind dann sogenannte "weiche Themen". Frauenfragen, "Zukunft", Umwelt, Dritte Welt – die Junge Union verteilt Kondome, die Jusos verkaufen fair gehandelten Kaffee – das sind so die konsensstiftenden Knaller vergangener Wahlkämpfe. Die rechten Nervensägen locker abtropfen lassen und bei den "harten Themen" dann nach dem Wahltag das entscheiden, worüber man vorher clever geschwiegen hat.

In Hamburg nun versuchen die etablierten Parteien angesichts der haushohen Probleme einen atemberaubenden Gegenkurs: Ohne grundlegend neue Konzepte anzubieten, plakatieren sie rechte Parolen was das Zeug hält. Die SPD wirbt mit "Law and Order", die CDU mit der Forderung nach dem Ausbau der Polizeipräsenz. SPD-Schröder versucht mit "Kriminelle Ausländer raus"-Parolen rechts an allen vorbeizudribbeln, Henning Voscherau setzt sich vom laschen Lafontaine-Kurs in Sachen Euro ab.

Doch es nutzt nichts. Der Wähler spürt umso mehr, daß nun über "harte Themen" entschieden wird. Er spürt, daß es legitim ist, eine Wahlentscheidung zu treffen, die deutliche Alternativen zur etablierten Politik genau in diesen Themen eröffnet. Wer setzt sich denn wirklich ohne Wenn und Aber für die D-Mark ein? Wer vertritt glaubhaft eine restriktive Ausländerpolitik, die darauf zielt, den Ausländeranteil auf ein verkraftbares Maß zurückzuführen – und das nicht durch Einbürgerung, sondern durch Abschiebung und Rückführung?

Der Hamburger SPD sind die für sie beängstigenden Umfragezahlen der Meinungsforscher bekannt. Nach diesen säßen die Republikaner bereits sicher im Parlament und andere rechte Parteien (darunter an der Spitze der BFB) könnten erhebliche Stimmenanteile erzielen. Voscheraus Taktik dagegen? Er werde "künftig davor warnen, daß die DVU ins Parlament kommen könnte". Mit diesem atemberaubenden Bluff wolle er "erreichen, daß so wenigstens die Republikaner keine zusätzliche Stimme" bekommen. "Wir müssen auf Zersplitterung setzen. Das Ziel ist, auf diese Weise vielleicht zwei Prozent von den Republikanern zur DVU hin abzuziehen." Ein schöner SPD-Bürgermeister, der Wahlkampf für Gerhard Freys Phantom-Partei DVU macht…


 
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