© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    38/97  12. September 1997

 
 
Drogenpolitik: Fachverband hält Ersatzprogramme für gescheitert
Das Sterben geht weiter
von Werner Olles

Die bislang in verschiedenen Bundesländern praktizierte Methadonpolitik ist eindeutig gescheitert. Zu diesem Urteil kommt Jost Leune, Geschäftsführer des "Fachverbandes Drogen und Rauschmittel", in dem sich gemeinnützige Träger ambulanter und stationärer Hilfen für Suchtgefährdete und Süchtige zusammengeschlossen haben. "Es gibt keinen Zusammenhang zwischen Substitution, Drogentoten und Kriminalitätsbelastung", sagt Leune. Zwar würde dies von vielen Politikern so dargestellt, doch fielen diese ordnungspolitischen Argumente bei genauerer Betrachtung in sich zusammen.

Als Nordrhein-Westfalen vor zehn Jahren mit der Behandlung durch die Ersatzdroge Methadon begann, sollten dafür nur solche Abhängigen in Frage kommen, die in drogenfreien Programmen gescheitert waren. Schon bald traten jedoch andere als gesundheitspolitische Betrachtungen in den Vordergrund. Es ging nicht mehr um die Perspektive auf eine drogenfreie Therapie und ein drogenfreies Leben oder zumindest das Verhindern weiterer gesundheitlicher Schäden und die Reintegration des Süchtigen, sondern um die Reduzierung der Zahl der Drogentoten, die Senkung der Kriminalität und generell um die "Erreichbarkeit" der Rauschgiftabhängigen. Auf die fachliche Debatte wurden ordnungspolitische aufgepfropft. Der Fachverband wehrte sich vehement gegen eine "Politisierung" des Methadonprogramms. Seine Argumente, daß nur sorgfältig geführte, fachlich augereifte und auf Einzelfallindikation beschränkte Programme gesundheitspolitisch zu verantworten seien, wurden in NRW, Hamburg, Bremen, Berlin, Hessen, dem Saarland und Schleswig-Holstein geflissentlich überhört

Nach zehnjähriger Methadon-Substitution sei nun festzustellen, daß von den offiziellen Programmen nur eine geringe Anzahl Rauschgiftsüchtiger profitiert habe. Die politischen Ziele seien allesamt erfolglos geblieben. Zwischen Substitution, Todesopfern der Rauschgiftsucht und Kriminalitätsbelastung gebe es keinerlei Zusammmenhänge, argumentiert Leune und verweist auf die Berichte der diversen Landeskriminalämter. In NRW registrierte die Polizei sogar eine Zunahme der Todesopfer um 391 im Jahre 1996. Bei der Beschaffungskriminalität gab es eine Steigerung von 30 Prozent. Auch in Hamburg, wo sehr früh mit der Substitution begonnen wurde, verzeichnete man im vergangenen Jahr wieder mehr Todesfälle, ebenso wie in Bremen, wo fast ein Drittel der Opiatabhängigen substituiert wird.

"Eindeutig kann festgehalten werden, daß die Substitutionsbehandlung keine Auswirkungen auf die politischen Indikationen des Drogenproblems hat", so Leune. Die Zahl der Drogentoten werde von anderen Faktoren beeinflußt, und die dem Drogenkonsum zugeschriebene Kriminalität wachse permanent weiter. Dies sollten vor allem jene bedenken, die sich für die staatliche Abgabe von Heroin einsetzten: "So wie das legal verschriebene Methadon wird auch das legal verschriebene Heroin kaum Todesfälle oder Straffälligkeit verhindern", prognostiziert Jost Leune.

Er wolle nicht bestreiten, daß einigen Rauschgiftabhängigen aufgrund der Methadonprogramme geholfen werden konnte. So konnte in vielen Fällen Betreuung eingeleitet, Überbrückungshilfe angeboten und Verelendung verhindert werden. Die hohe Zahl derer, denen auch mit Methadonprogrammen kein Weg aus der Verelendung gezeigt werden konnte, müsse allerdings mit Sorge betrachtet werden. Leune wörtlich: "Methadon hilft einzelnen Abhängigen. Politikern hilft es nicht, ihre Probleme mit einer süchtigen Gesellschaft zu lösen!"


 
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