© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    40/97  26. September 1997

 
 
Hochwasser Katastrophe: Kritik statt Anerkennung für Hilfseinsatz der Landsmannschaften
Unsolidarischer Generalkonsul
von Alfred Theisen

Die Bilder der Zerstörung in dem vom Jahrhunderthochwasser heimgesuchten Odertal haben eine breite Welle der Unterstützung auch unter jenen vertriebenen Schlesiern, (Ost-) Brandenburgern und Sudetendeutschen ausgelöst, die einst in den von der Katastrophe betroffenen Gebieten zu Hause waren.

Ja, die Mitglieder der Landsmannschaften stehen in der ersten Reihe derjenigen, die an der Oder von Ratibor bis Küstrin, in der Grafschaft Glatz oder im Überschwemmungsgebiet von Bober und Queis rasche und umfassende Soforthilfe geleistet haben. Aus Kaiserslautern, Bayreuth und Reutlingen, aus Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen wurden durch vertriebene Deutsche Hilfsgütertransporte organisiert, um die große Not in den Heimatgebieten zu lindern. Eine Ortsgruppe der Schlesier in Ostfildern bei Stuttgart konnte beispielsweise in Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung in wenigen Tagen Geld- und Sachspenden im Wert von 80.000 DM organisieren und dem Deutschen Freundschaftskreis (DFK) im überfluteten oberschlesischen Partnerort Reigersfeld zur Verfügung stellen. Der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Oberschlesier, Klaus Plaszczek, hat den Bezirksvorsitzenden der Deutschen im Raum Oppeln und in der Region Kattowitz erst jüngst einen fünfstelligen Geldbetrag für Soforthilfen übergeben. Zahlreiche Spendenaktionen, zum Beispiel auch der Schlesischen Jugend, dauern an.

Helmut Sauer, Landesvorsitzender der Schlesier in Niedersachsen und Chef der in der CDU/CSU organisierten Ost- und Sudetendeutschen, zeigte sich jedoch enttäuscht darüber, daß er ebenso wie viele andere Vertreter der ostdeutschen Landsmannschaften mit einer Spendenaktion zwar erfreuliche Resultate für die von den Flutwellen betroffenen Menschen, aber kaum eine Resonanz in den Medien erzielen konnte. Das regierungsnahe Deutschland-Magazin urteilt in seiner September-Ausgabe ungewohnt scharf: "Jenen zeitgeistgeprägten Medien, die sonst jede unbedachte Äußerung eines Funktionärs-Hinterbänklers zum internationalen Skandal hochzustilisieren pflegen, waren die vielfältigen Hilfsaktionen der Vertriebenen kein Wort und keine Sendeminute wert. Vermutlich, weil daran nun auch bei bestem (bzw. bösestem) Willen nichts zu kritisieren ist."

– Weit gefehlt! Selbst hier gab es Kritik, die die Schlesier in der Bundesrepublik Deutschland über das von Bonn und Warschau subventionierte und in Oppeln zweisprachig erscheinende Schlesische Wochenblatt erreichte. Als Antwort auf die Frage "Glauben Sie, daß sich die in Deutschland lebenden Schlesier auch ganz besonders bemühen werden, uns zu helfen?" äußerte sich der deutsche Generalkonsul in Breslau, Roland Kliesow, in dem Organ des Verbandes der Deutschen in der Republik Polen wie folgt: "Ich dachte, daß sich deutsche Landsmannschaften und deutsche Schlesier mit der Frage an uns wenden werden, was sie für ihre Landsleute machen können. Diese Reaktion ist völlig ausgeblieben. Dafür haben sich Bundesländer und Städte gemeldet, die mit der Region nichts gemein haben und gefragt, wie sie helfen können."

Unwillkürlich fragt man sich, ob Dilettantismus, Böswilligkeit – vielleicht als Langzeitfolge kommunistischer Revanchismus-Kampagnen – oder möglicherweise auch die gekränkte Eitelkeit, übergangen worden zu sein, die Gründe für diese Entgleisung eines leitenden Mitarbeiters des Auswärtigen Amtes gegenüber den Vertriebenen sind. Weiß Kliesow wirklich nicht, daß die Schlesier diesseits und jenseits der Neisse durch eine Vielzahl von Patenschaften bzw. Partnerschaften und auch durch familiäre Bindungen so eng miteinander verbunden sind, daß sie bei Soforthilfen in der Heimat nicht des bürokratischen Umwegs über das Breslauer Generalkonsulat bedürfen? Sollte er tatsächlich von den zahlreichen solidarischen Aktionen deutscher Schlesier nichts mitbekommen haben, obwohl beispielsweise die von der Landsmannschaft Schlesien in Bonn organisierte Verbringung von durch die Hochwasserflut betroffenen niederschlesischen Kindern in eine ostpreußische Ferienfreizeit sogar vom Generalkonsulat mitfinanziert worden ist? Natürlich ist die Leitung des mit über 130 Mitarbeitern weltweit größten deutschen Generalkonsulats in Breslau keine einfache Aufgabe, zumal regierungsamtlicher Zweckoptimusmus und die Wirklichkeit der deutsch-polnischen Verständigung weit auseinanderklaffen (man erinnere sich nur an Themen wie den unzureichenden schulischen Deutschunterricht, das Fehlen zweisprachiger Ortsschilder in Oberschlesien oder die Problematik der polnischen "Beutekunst" in Krakau). Aber was soll diese Attacke gerade gegen diejenigen, die ungeachtet ihres schweren Schicksals durch ihre Unterstützung für die Hochwasseropfer erneut ein Zeichen der Heimattreue und der Bereitschaft zum Miteinander gesetzt haben?

Generalkonsul Kliesow sollte sich bei den Landsmannschaften für seine unverantwortliche Äußerung entschuldigen. Tut er dies nicht, so muß man wohl den Schluß ziehen, daß es sich um einen weiteren Versuch gehandelt hat, einen Keil zwischen die daheimgebliebenen und die vertriebenen oder ausgesiedelten Schlesier zu treiben.


 
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