© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/97  03. Oktober 1997

 
 
Importland Nummer Eins
von Bernd-Thomas Ramb

Deutschland ist ein Außenwirtschaftsland. Waren werden in Deutschland für das Ausland produziert und Produkte aus fremden Staaten nach Deutschland importiert. Das Geben und Nehmen sollte möglichst ausgeglichen sein, ist es aber nicht. Ständig übertrifft der exportierte Warenwert den importierten. Die logische Konsequenz: das Ausland ist mehr auf deutsche Waren angewiesen als Deutschland auf ausländische. Natürlich ist die Außenhandelsbilanz nur ein Teil der wirtschaftlichen Auslandsbeziehungen, aber ein bedeutender Aspekt und das nicht nur aus ökonomischer Sicht. Fast 30 Prozent des deutschen Handelsumsatzes werden mit dem Ausland abgeschlossen. Waren im Werte von 784 Milliarden DM gelangten 1996 über die deutschen Grenzen, der überwiegende Teil – 598 Milliarden DM – in die sogenannten Industrieländer und davon 449 Milliarden DM in die Staaten der Europäischen Union.

Aus der Sicht des Auslands sind die Importe aus Deutschland wichtige Beiträge für die Versorgung des Landes. In den meisten Ländern steht Deutschland auf der Liste der ausländischen Lieferanten sogar an erster Stelle – bis auf Portugal und Spanien, für die Deutschland an zweiter Stelle rangiert, alle oben aufgeführten. Nachbar Österreich bezieht nahezu die Hälfte aller Einfuhrwaren aus Deutschland. An zweiter Stelle liegt Ungarn, das mehr als ein Drittel seiner Importe aus Deutschland geliefert bekommt. Die nächsthöheren Prozentwerte betreffen wieder unsere unmittelbaren Nachbarn Schweiz, Tschechien/Slowakei, Polen und Dänemark.

Die Liste der "Deutschland als Nummer-1-Importland"-Länder enthält große Länder (wie Frankreich, Großbritannien und Italien) ebenso wie kleine Staaten (Belgien/Luxemburg, Schweden, Niederlande und Finnland). Zu den Ländern, für die Importe aus Deutschland besonders wichtig sind, zählen aber nicht nur diese EU-Staaten, sondern auch weitere Länder aus Osteuropa. Rumänien und Bulgarien können sich zwar weitaus weniger Einfuhren leisten als Ungarn, Tschechien, die Slowakei und Polen, die aber kommen ebenfalls in erster Linie aus Deutschland.

Über die bloße Beschreibung des wirtschaftlichen Handelsgeschehens hinaus belegen diese Zahlen zwei Fakten. Erstens sind die EU-Staaten auf deutsche Importe mindestens ebenso angewiesen wie die deutschen Exporteure. Der Verzicht auf das D-Mark-Opfer zugunsten des Maastricht-Europas wird daher keinen Zusammenbruch des Handels und schon gar keinen Krieg hervorrufen. Zweitens gilt gleiches für die mittel- und osteuropäischen Staaten. Der Verzicht auf ihre Aufnahme in die EU zugunsten einer Festung Europa bedeutet schon eher eine Gefahr.


 
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