© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de    41/97  03. Oktober 1997

 
 
Bundespräsidentschaftswahl: Streit um Personen und Kompetenzen
Kandidaten-Karusell

von Max Andergaszt

Noch ist mehr als ein halbes Jahr Zeit, bis die Österreicher an die Urnen gerufen werden, um das neue Staatsoberhaupt zu wählen. Noch weiß man auch nicht, wie weit der amtierende Präsident Thomas Klestil vorhat, noch einmal anzutreten. Seine angeschlagene Gesundheit - erst jüngst bei der Vereidigung der jungen Leutnants an der Thersianischen Militärakademie soll er massive Atembeschwerden gehabt haben - und seine ungelösten Eheprobleme könnten ihm die Pension angeraten erscheinen lassen. Von dieser Entscheidung hängt nach offizieller Aussage auch ab, wie weit die regierenden Sozialisten einen eigenen Kandidaten ins Rennen schicken. Klestil hat gegenwärtig ohne einen wirklichen Gegenkandidat kaum 60 Prozent an Zustimmung in den Meinungsumfragen zu verzeichnen. Sollte ein attraktiver Gegenkandidat gefunden werden, dürften seine Chancen als Amtierender wiedergewählt zu werden, gar nicht mehr so groß sein.

Während man noch in den vergangenen Sommerwochen davon ausgegangen ist, Klestil als Koalitionskandidat, unterstützt von einem Prominenten-Komitee, ohne nennenswerten Wahlkampf die Wiederwahl unangefochten gewinnen könnte, scheint sich nunmehr die Lage völlig verändert zu haben. Die Stimmen in der SPÖ, doch einen eigenen Kandidaten aufzustellen, mehren sich. Zuletzt hat Wissenschaftsminister Einem die Aufstellung eines eigenen Kandidaten, und zwar möglichst einer Frau, gefordert. An wen er denn da dächte, hat er nicht geäußert. Bereits die Grünen und die Liberalen haben die Diskussion in diese Richtung gelenkt. Heide Schmidt selbst denkt nach wie vor ans Antreten. Sie muß allerdings jene 16 Prozent, die sie im Jahre 1992 als Haiders Kandidatin erreichte, schaffen. Weiters genannte Kandidatinnen waren Eva Rossmann, die Initiatorin des Frauen-Volksbegehrens, die insbesondere bei der Hardcore-Linken Zustimmung fände. Weit über engere Parteigrenzen hinaus Unterstützung hätte die prominente Journalistin Barbara Coudenhove-Kalerghi. Sie, die in den sechziger Jahren mit dem Prominenten Kommunisten Marek verheiratet war, die als aktive und engagierte Katholikin durchaus auch mit Klestil unzufriedene konservative Wähler gewinnen könnte, würde in erster Linie von Grünen und Liberalen favorisiert. Vorläufig aber hat sie über die Medien eine Absage erteilt.

Eine ebenso vorläufige und nicht absolut ernst zu nehmende Absage hat ja bereits Helmut Zilk vor Jahren mittels Notariatsakt getätigt. Indessen allerdings ließ er bereits verlauten, daß er im "Katastrophenfalle" selbstverständlich zur Verfügung stünde. Er ist neben Altkanzler Vranitzky – bisher hörte man von ihm ebenso nur Absagen – der einzige wirklich aussichtsreiche sozialistische Kandidat. Aus gut informierten Kreisen hört man, daß das, was Zilk als "Katastrophe" meint, dann einträte, wenn etwa der amtierende Präsident Thomas Klestil nach einem ersten Wahlgang in der Phase vor einer Stichwahl aus gesundheitlichen Gründen das Handtuch werfe. Zilk hätte den Vorzug, daß er auch weitgehend von den Freiheitlichen Jörg Haiders unterstützt würde, da er diese auch als amtierender Wiener Bürgermeister niemals ausgegrenzt hat. Ob er allerdings die Unterstützung der gesamten SPÖ, insbesondere des linken Flügels hätte, ist eher zweifelhaft. Das zu erwartende massive Eintreten der Kronenzeitung für Helmut Zilk und die präsumptive First Lady "Dagi" Koller, würde aus der Wahl allerdings eine "g’mahte Wies’n" machen.

Eine weitere Unbekannte ist die FPÖ Jörg Haiders. Dieser schwankte in den vergangenen Monaten zwischen vorsichtiger Unterstützung Klestils und vorsichtiger Kritik, die sich insbesondere an Klestils Pro-Euro-Stellungnahmen äußerte. Sollte Klestil als rot-schwarzer Koalitionskandidat ins Rennen geschickt werden, müßte Haider zwangsläufig einen eigene Kandidaten aufstellen. Die Palette an freiheitlichen Präsidentschaftskandidaten ist allerdings relativ schwach bestückt: Neben dem prominenten Rechtshistoriker und Parlamentspräsidenten Brauneder käme der jüdische Quereinsteiger Peter Sichrovsky in Frage. Als Frau Susanne Riess-Passer oder Helene Partik-Pawlé. Und selbstverständlich würde Jörg Haider versuchen, irgendeinen prominenten Sportler – Andreas Goldberger ist vom passiven Wahlalter wohl noch zu jung – zu nominieren. Allen Ernstes wird unter politischen Beobachtern auch die Variante gehandelt, daß Jörg Haider Mörtel Lugner mehr oder weniger direkt unterstützen könnte, einerseits um sich einen teuren und aussichtslosen Wahlkampf zu ersparen, andererseits um unter dem Motto "Wählt einen unabhängigen, erfolgreichen Unternehmer" doch noch Opposition gegen die Großkoalitionäre zu machen. Das Antreten von Jörg Haider selbst ist jedenfalls weitgehend auszuschließen.

Abgesehen davon, daß allein schon die Kandidatennominierung für die Wahl des Staatsoberhauptes für Spannung im beginnenden Herbst sorgt, gibt es auch eine heftige Debatte um die Qualität des Amtes selbst: Einerseits mehren sich die Stimmen, die für eine einmalige Amtsperiode, die eventuell verlängert werden könnte, plädieren. Wie es mit dem Argument, da die Wiederwahl eines amtierenden Präsidenten nahezu gesichert ist, und die Volkswahl mit mehreren Kandidaten und ihren erheblichen Kosten ja zur reinen Formsache degradiert wird. Andere Stimmen wiederum – zuletzt der Tiroler SPÖ-Chef Proksch – sprechen sich dafür aus, die Volkswahl des Präsidenten nach bundesdeutschem Muster abzuschaffen, und diesen durch das Parlament, konkret durch die Bundesversammlung wählen zu lassen. Ebenso sind Argumente zu hören, die die Machtbefugnisse des Staatsoberhaupts, konkret jene, die Regierung zu berufen und zu entlassen, beschnitten wissen wollen. Die Verfassungsreform-Vorschläge der Freiheitlichen Jörg Haiders in diesem Zusammenhang sind ja bereits bekannt. Er fordert die Zusammenlegung der Ämter des Bundespräsidenten mit jenem des Regierungschefs, wobei dieser Staatspräsident vom Parlament gewählt und kontrolliert werden sollte.

Insgesamt ist das Staatsoberhaupt und seine Kompetenzen in der österreichischen Republik seit 1918 strittig. Hatte man zuerst eine Funktion, die einem Staatsnotar glich, im Auge, so schuf die Verfassungsreform von 1929 eine Art Ersatzkaiser mit entsprechenden Machtbefugnissen. Nach 1945 war das Amt des Bundespräsidenten bekanntlich eher eine Art sozialistischer Erbhof, von Karl Renner über Theodor Körner bis Adolf Schärf und Franz Jonas waren es gestandene Sozialdemokraten, die in der Hofburg residierten. Rudolf Kirchschläger wurde zwar auch von den Sozialisten nominiert, war aber bereits ein parteifreier Katholik. Mit Kurt Waldheim konnte erstmals die konservative Reichshälfte den Einzug in die Hofburg schaffen, und mit Thomas Klestil schien es so, als würde ein aus den Reihen der ÖVP kommender "aktiver Präsident" ein Machtgegengewicht zum sozialdemokratisch dominierten Ballhausplatz bilden können. Daraus wurde nicht viel, wie wir wissen. Die kommenden Präsidentschaftswahlen und die Personen, die um das Amt ringen, könnten nunmehr über die Zukunft des höchsten Staatsamtes und seiner Kompetenzen entscheiden.


 
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